Leo und der durch Blut watende Glücksritter

Regisseur Edward Zwick und sein magistraler Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio haben mit «Blood Diamond» einen klassischen und halbwegs hintergründigen Abenteuerfilm geschaffen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Dass Diamanten der beste Freund afrikanischer Kriegstreiber sind, hat man vermutlich schon mal irgendwo gehört. Die Sensibilität für die Problematik der sogenannten Blut- oder Konfliktdiamanten, die in den brutal bestialischen Bürgerkriegen auf dem Schwarzen Kontinent als Zahlungsmittel im illegalen Waffenhandel dienen, ist trotz beharrlicher Interventionen von Amnesty International indes immer noch nicht allzu hoch. Erfreulicherweise schickt sich jüngst gerade das sendungspotente US-Kino vermehrt an, mit engagierten Grossproduktionen auf Missstände dieser Art aufmerksam zu machen und entsprechende Wissenslücken immerhin im Ansatz zu schliessen. Selbstredend sind hierbei altruistischer Idealismus und aufklärerische Sozialverantwortung nicht die einzigen Triebfedern; der Filmindustrie jetzt zynische Ausbeuterei zu unterstellen, scheint freilich gleichwohl unangebracht und zeugt selbst wiederum von einem gewissen Zynismus.

Faszinierende Figur

Es ist denn auch absolut in Ordnung und überhaupt kein Widerspruch, wenn Regisseur Edward Zwick mit «Blood Diamond» – wie bereits bei seinem hoch intelligenten Terrorismusdrama «The Siege» – quasi eine doppelte Agenda verfolgt. Oben umrissenes Dilemma anhand der journalistischen Berichterstattung selbst aufgreifend, kombiniert Zwick hier mit Power, Pep und Grips nämlich nachgerade mustergültig beherztes Polit- mit traditionellem Abenteuerkino. Zum einen wirft er einen nichts beschönigenden und vieles erahnen lassenden Blick auf den eben mit Diamantenhandel finanzierten Bürgerkrieg in Sierra Leone der Neunzigerjahre und zeigt dabei sich ins Gedächtnis einbrennende Bilder etwa von drogenumnebelten Kindersoldaten im Blutrausch. Zum anderen erschafft er inmitten aller Gräuel und Zerstörungswut ein visuell überwältigendes und erzählerisch dichtes Geflecht von Action, Suspense und Romantik. Im Fokus dessen steht mit dem vom Oscar-nominierten Jahrhunderttalent Leonardo DiCaprio magistral verkörperten Diamantenschmuggler Danny Archer überdies eine der faszinierendsten und vielschichtigsten Filmfiguren der letzten Jahre. Geboren in Simbabwe und nach der grausamen Ermordung seiner Eltern in Südafrika aufgewachsen, schlängelt sich Archer unter Ausblendung seines Gewissens in einem Geschäft durch, wo das Auslöschen eines Menschenlebens kaum ein Schulterzucken entlockt – ein windiger, von blind verrückter Gier getriebener und seiner traumatischen Vergangenheit kauputtgemachter Glücksritter, der gelernt hat, mit sich selbst und seinem Tun zu leben.

Intelligente Unterhaltung

Archer wäre jedoch nicht der geeignete und seit den Zeiten Bogarts klassische (Anti-)Held für einen Film wie «Blood Diamond», wenn tief in ihm drin – ganz schwach – nicht doch ein menschliches Herz schlüge. Hörbar gemacht wird dieses von zwei Schicksalsbekanntschaften: der über die Diamantenindustrie recherchierenden Journalistin Maddy (Jennifer Connelly) und dem durch die Rebellentruppen von seiner Familie entzweiten Solomon (auch Oscar-nominiert: Djimon Hounsou), der bei der Zwangsarbeit in einer Mine einen riesigen Rohdiamanten entdeckt und versteckt hat, für dessen Wiederbeschaffen ihm Archer das Auffinden seiner Liebsten verspricht. Die davon motivierte Odyssee durch das im Chaos, in Blut und Leichen versinkenden Land bildet sodann das actiongeladene und von halbwegs hintergründigen Informationen umrahmte Kernstück des Films, welches das unfassbare Ausmass der Menschenverachtung aller involvierten Parteien und die Ohnmacht der Hilfsorganisationen aufzeigt. Doch gibt es hier auch rare ruhige Momente, Verschnaufpausen, wo Zeit für passioniertes und pointiertes Flirten, Streiten und Philosophieren ist; wo sich in prächtigen Einstellungen die naturgewaltige Schönheit der Gegend offenbart; und wo bisweilen sogar etwas Hoffnung aufflackert. Auch wenn gegen Ende einiges sehr schnell gehen muss und vieles zugunsten filmischer Dramatisierung nicht über Denkanstösse hinauskommt, ist «Blood Diamond» wie der – freilich weit fundiertere – Afrika-Thriller «The Constant Gardener» so letztlich das, was man gemeinhin unter intelligenter Unterhaltung versteht.