Nacktbaden mit der berühmtesten Frau der Welt

Grossartig gespielt: «My Week with Marilyn» schildert voll Herz und Schmerz die kurze Zeit, die ein Filmnovize einst am Set und im Bett mit Marilyn Monroe verbringen durfte.

 

von Sandro Danilo Spadini

Am Anfang singt sie. Oben auf der Leinwand. Und er lächelt selig. Unten auf dem Kinositz. Fünf Filmminuten später wird er, Colin Clark, 23-jährig und soeben in seinem ersten Job gelandet, bereits mit Sir Lawrence Olivier plaudern, dem grössten Schauspieler seiner Generation. Und weitere zehn Minuten später trifft er dann auch sie, Marilyn Monroe: leibhaftig, wahrhaftig, in vollem Glanz, in all ihrer Pracht. Ein Märchen ist das für einen wie ihn, der seit je die Enttäuschung in einer erfolgsverwöhnten Familie ist und sich in diesem Frühjahr 1956 «dem Zirkus» angeschlossen hat. Der «alles tun würde», um in diesem Zirkus namens Filmgeschäft Fuss zu fassen und Teil der Welt seiner Helden zu werden. Und der dann tatsächlich die Stelle als dritter Assistent von «Larry» Olivier erhält, als dieser sich aufmacht, in den legendären Pinewood-Studios westlich von London «The Prince and the Showgirl» zu drehen: als Regisseur und Hauptdarsteller und, vor allem, an der Seite von Marilyn Monroe, dem grössten Filmstar weit und breit, der berühmtesten Frau der Welt.

Grosses Staraufgebot

Sie ist zu diesem Zeitpunkt 30-jährig und frisch ein drittes Mal verheiratet. Neu-Gatte Arthur Miller hat sie begleitet nach England; eine grosse Hilfe ist er aber nicht. Doch Hilfe hat Marilyn Monroe nötig. Denn bereits ist sie abhängig von Pillen aller Art, zerfressen von Unsicherheit, getrieben vom Wunsch, die beste Schauspielerin zu sein, «die ich sein kann». Da kommt ein Unschuldslamm wie Colin Clark – willig, eifrig, servil – gerade recht zum Tränentrocken und Nacktbaden. Er wird die Woche seines Lebens mit ihr verbringen und später dann gleich zwei Bücher über diese kurze Zeit am Set und im Bett mit Marilyn Monroe schreiben. Beide dienen sie nun dem fernseherfahrenen Engländer Simon Curtis als Vorlagen für sein spätes Kinoregiedebüt «My Week with Marilyn», das prompt eine Schar von Stars angelockt hat: Michelle Williams als Marilyn Monroe, Kenneth Branagh als Lawrence Olivier, Julia Ormond als Vivien Leigh, Judi Dench als Sybil Thorndike, Dougray Scott als Arthur Miller sowie Derek Jacobi, Toby Jones, Emma Watson. Und Eddie Redmayne als Colin Clark, dessen Geschichte das hier zuerst ist. Oder jedenfalls sein sollte. Denn wiewohl auch seine urpersönlichen Dramen, Komödien, Romanzen angeschnitten werden: Im Spotlight steht selbstredend Miss Monroe, die nie pünktlich am Set erscheint, ihre Einsätze verpasst, ihre Zeilen vergisst. «Sie ist unmöglich», schnaubt Olivier bald, den Clark vor dem versöhnlichen Ende als gönnerischen Gockel schildert mit einem Ego so gross wie ein Despot. Ganz anders Marilyn. Sie ist hier mal verschmitzt und verführerisch, verrucht und verschmust, mal verletzlich und verängstigt, verzweifelt und verloren. Und immer ist sie: wunderbar und zauberhaft. Man merkt, dass Clark dieses so komplizierte Wesen wirklich sehr gemocht hat – bis zur Verklärung vielleicht. Aber und wenn schon! Es geht hier ja nur um diese eine Woche im Leben von Marilyn Monroe – um Clarks Woche. Eine Woche in einer aufreibenden Zeit notabene. Mit früh einsetzenden Eheproblemen. Und dem Krampf mit dem Method-Acting, der die Instinktschauspielerin Monroe in den Wahnsinn und den klassisch ausgebildeten Olivier zur Weissglut treibt.

Und Michelle strahlt

Gerade solches ist es, was «My Week with Marilyn» so hochinteressant macht für einen jeden Filmfan. Und was davon nicht wahr sein sollte, ist dann halt einfach sehr gut erfunden. Jedenfalls steckt in diesem oft beschwingten und trotz klarer Katastrophenwarnung gerne blendend gelaunten Streifen so einiges: ein erhellender Blick auf ein Stück Kinogeschichte und eine teils gar analytische Sicht auf das Showbusiness. Und natürlich bietet er mimisch Grossartiges, allen voran von der Golden-Globe-prämierten Michelle Williams, die nie besser war, nie schöner war. Der diskrete Simon Curtis bietet ihr hier eine sonnendurchflutete Bühne im Grünen, und scheint die Sonne mal nicht, so strahlt Michelle Williams, die Marilyn Monroe ist. Und am Ende ist sie dann wieder oben auf der Leinwand – und er unten auf dem Kinositz. Wieder lächelt er. Nun aber auch wissend. Und immer noch selig.