Liebesgeflüster zwischen den Zeiten

Der eher unsinnige, durch wohltuendes Understatement aber Punkte gutmachende Liebesfilm «The Lake House» vereint Sandra Bullock wieder mit ihrem einstigen Traumpartner Keanu Reeves.

 

von Sandro Danilo Spadini

Kate (Sandra Bullock) und Alex (Keanu Reeves) scheinen wie geschaffen füreinander. Zwei sehnsüchtig Liebende, denen in Fortunas Warteschlange irgendwann die Füsse eingeschlafen sind. Zwei Gestrandete, deren Seelen die Suche nach Verwandten eigentlich schon aufgegeben haben. Nichtsdestotrotz aber auch zwei Romantiker, die reif und bereit sind für das grosse Liebesglück. Sie passen perfekt zusammen, die unermüdlich schuftende Ärztin Kate und der genialisch veranlagte Architekt Alex, und sie lieben sich aus vollem Herzen. Doch die beiden haben ein Problem: Sie sind sich nie begegnet, denn sie leben in verschiedenen Zeiten. Klarer Fall von falschem Timing sozusagen. So schreiben wir schon das Jahr 2006, wenn Kate aus dem Haus am See auszieht und ihrem vermeintlichen Nachmieter den ersten der ihre Beziehung initiierenden Briefe hinterlässt; als Alex selbigen findet, ist es aber erst 2004. «Ja wo gibts denn so was?», wird sich manch ein praktisch Denkender entrüstet fragen – entrüstet auch deshalb, weil so natürlich das nach zwölf Jahren wiedervereinte «Speed»-Traumpaar Bullock-Reeves die meiste (notabene aber nicht die ganze!) Zeit separat agieren muss. Doch gemach, gemach! Dass die räumliche Trennung der Liebenden auf der Leinwand der Romantik nicht zwingend Abbruch tun muss, hat man ja damals in «Sleepless in Seattle» gesehen: Meg Ryan und Tom Hanks hatten dort erst im Finale ein paar mickrige Minütchen zusammen und haben sich trotzdem in den Rang eines der grössten Kinoliebespaare der Neuzeit gespielt. Es besteht also Hoffnung für Kate und Alex, wenngleich das Wort Fernbeziehung in ihrem Fall naturgemäss eine ganz neue Dimension erhält.

Arme Logik

«The Lake House», das auf dem südkoreanischen Film «Il mare» beruhende US-Kinodebüt des Argentiniers Alejandro Agresti, tischt eine zugegebenermassen monströs abstruse Geschichte auf. Die Frage lautet nun: «Wollen wir uns damit abfinden, oder wollen wir uns darüber aufregen?» Wer sich für Ersteres entscheidet und das Defizit auf der Sinnebene gleichmütig in Kauf nimmt, kann in freudiger Erwartung emotionaler Wallungen in seiner Hand- oder auch Hosentasche schon mal nach den Taschentücher kramen; sie oder er werden nicht enttäuscht sein und offene Augen für die schönen und herzlichen Momente dieses grosszügig Süsses und Saures austeilenden Rührstücks haben. Wer sich aber der mit rosa bepantoffelten Füssen getretenen Logik erbarmt und selbst bei Schmonzetten aus der Zuckerbäckerfabrik Hollywood nicht auf ein gewisses Mass an Plausibilität verzichten will, der ist hier entschieden im falschen Film. Den Rationalisten wird im «Lake House» nämlich null Komma nichts geboten. Weder eine glaubhafte Plot-Entwicklung noch Erklärungen für die wunderlichen Vorgänge. Wieso Kate und Alex fähig sind, auch verbal miteinander zu kommunizieren, bleibt entsprechend ebenso im Dunkeln wie die Ursache für den Bruch auf der Zeitachse. Doch Señor Agresti ist halt kein Physiker und höchstens im zweiten Nebenfach Philosoph, weshalb ihn auch Schmetterlingseffekte und chaotische Theorien nicht so sehr interessieren. Er mag die Sache nicht komplizierter machen als nötig.

Leise und zartbitter

Sein fast kindlich naiver Film zeichnet sich vielmehr durch ein wohltuendes Understatement aus, wobei die um schlichte Schönheit ringenden Bilder freilich eher gewöhnlich geraten sind. Die Kamera ist derweil hoffnungslos in Sandra Bullock verliebt. Verübeln mag man ihr das indes nicht, hat sich Bullock doch ihres Schätzchen-Images längst entledigt und sich zu einer Mimin entwickelt, die den vom Skript verschwiegenen Grund für Kates konstanten Verdruss wenigstens erahnen lässt. Ihr Partner Keanu Reeves tut seinerseits, was er kann, und hat ebenfalls seinen Anteil daran, dass dieser leise, zartbittere und recht dialogintensive Liebesfilm mit seinen holzschnittartigen, aber sympathischen Figuren je länger, je geschmeidiger und am Ende sogar ziemlich gut wird. Wenn man das, eineinhalb Augen zudrückend, denn zulassen will.