Mit heiligem Ernst und feurigem Zorn

Debütant Nate Parker schildert in «The Birth of a Nation» einen spirituell aufgeladenen Sklavenaufstand. Und mutet sich und uns mit seinem nicht makellosen, aber imposanten Herzensprojekt eine Menge zu.

 

von Sandro Danilo Spadini

Eine der ersten Szenen von «The Birth of a Nation» zeigt ein Idyll: Ein weisser Knabe spielt bei lieblichem Sonnenschein mit einem schwarzen, dazu zwitschern Vögel, und es erklingt sanfte Musik. Zwei Filmstunden später aber ist da nur noch Blut, Hass und Wahn. Denn dies ist die Geschichte von Nat Turner: einem schwarzen Laienprediger, der 1831 in Virginia einen Sklavenaufstand anzettelte, bei dem 55 Weisse ihr Leben liessen – und in dem manche Historiker einen frühen Vorboten des Bürgerkriegs sehen. Dass diese so bedeutende (und kontroverse!) Geschichte nun, in dieser für das schwarze Amerika abermals kritischen Zeit, endlich im Kino erzählt wird, ist in erster, zweiter, dritter und vierter Linie einem Mimen namens Nate Parker zu verdanken; er hat sieben Jahre an dem Projekt gearbeitet und fungiert hier nicht nur als Hauptdarsteller, sondern auch als Regisseur, Autor und Produzent.

Die andere Geburt Amerikas

Sein Werk lässt Parker, gleichsam programmatisch für den Film und das Projekt als Ganzes, mit einem Widerspruch beginnen: einem frommen Zitat von Thomas Jefferson, dem hochverehrten dritten Präsidenten der USA, der als aufgeklärter Humanist selbst Sklaven hielt. Gegen ein nationales Heiligtum lehnt sich der Film freilich schon im Titel auf: das über hundertjährige gleichnamige Filmepos von D.W. Griffith, das zwar als einflussreichstes Werk der US-Filmgeschichte gefeiert, wegen seines glühenden Rassismus aber ebenso verachtet wird. Parker will hier also die andere Geburt Amerikas zeigen: die des schwarzen Amerika. Und er tut das mit einer Ambition und einem Selbstbewusstsein, die mitunter grösser sind als seine Kompetenz, und also mit der Debütanten eigenen Mischung aus Feuer und Übermut. Darin ist er seinem Protagonisten nicht unähnlich. Auch in diesem brodelt es. Zwar wird er von seinem «Master» (Armie Hammer) anständig behandelt, von den anderen Sklaven als Prediger geachtet und als Ratgeber geschätzt; er verliebt sich, heiratet, wird Vater – im Rahmen des Möglichen ist das mithin ein gutes Leben, das er führt. Aber dieser Rahmen ist eng, und Nat ist stolz und fühlt sich von Gott und spirituellen Visionen berufen, sich und die Seinen dem Joch der Gewalt zu entziehen, die überall ist und jede Form annimmt: mit Peitschen und Schlägen, verbal und sexuell, als Mittel zur Züchtigung und zur Demütigung, gewohnheitsmässig und sadistisch, um eine Lektion zu erteilen und Macht zu demonstrieren. Und die Art, wie Parker diese Gewalt darstellt, ist der nächste Knackpunkt; an ihr hätten sich die Geister auch geschieden, hätte Parker eine ganz andere Strategie gewählt – hätte er sie subtil dargestellt, nur angedeutet und damit verhüllt und vielleicht verharmlost. Parker hat aber den expliziten Weg genommen, mit eingeschlagenen Schädeln und abgetrennten Gliedmassen, und macht sich so plumper Verherrlichung verdächtig. «Wir werden sie alle zerstören», verkündet Nat denn auch brachial. Und die Rache der Unterdrückten, sie wird grausam sein. Denn Nat stützt sich nicht auf einen liebenden Gott, sondern auf einen strafenden. Derweil die Weissen ihn instrumentalisieren wollen, damit er mit seinen Predigten die frommen Sklaven klein und ruhig hält, sieht er die Religion nicht als Mittel der Unterdrückung, sondern der Befreiung. Und der Vergeltung. Und es scheint, dass Parker, dessen Film ein heiliger Ernst und ein feuriger Zorn innewohnen, das auch so sieht.

Streben nach Grösse

Dies hätte der Film sein sollen, der bei den Oscars das scheinbar verschmähte schwarze Kino rächt. Die Euphorie, die er in Sundance entfacht hatte, ebbte indes bald ab, und der Skandal um einen alten Vergewaltigungsfall diskreditierte Parker und nahm sein Werk früh aus dem Rennen. Mit «Moonlight», «Loving», «Hidden Figures» und «I Am Not Your Negro» waren die Oscars dann trotzdem nicht «so white», und mit ihnen (wie dem thematisch verwandten «12 Years a Slave») mithalten hätte Parkers Film ohnehin nicht können. Zu sehr sieht man ihm das Streben nach Grösse an, zu monoton ist er inszeniert, mit zu wenig dramatischem Flair, und zu dezent ist das gespielt. Imposant ist es dennoch, was Parker geleistet hat. Viele der in milchiges Hell oder nächtliches Dunkel getauchten Bilder, nicht nur die blutigen, bleiben haften, ebenso die geschmeidige Kameraarbeit, der nuancierte Soundtrack, die afrikanischen Einsprengsel. «The Birth of a Nation» ist so trotz allem eine markante Stimme des selbstbewusst aufstrebenden Black Cinema. Sie wird gehört werden. Und nachhallen.