von Sandro Danilo Spadini
Pech im Spiel, Glück in der Liebe: Für diese alte Faustregel hat Bernie Lootz (William H. Macy) nur ein müdes Lächeln übrig. Alles oder nichts, heisst es seit je in Bernies Leben, wobei das
«Nichts» bislang stets dominiert hat. Bernie ist nicht nur vom Pech verfolgt, er zieht es förmlich an. Immerhin haben ihm diese zweifelhaften Qualitäten einen Job im «Shangri La»-Kasino in Las
Vegas eingebracht, wo er als «Cooler», eine Art professionelle Pechmarie, die Glückssträhnen argloser Gäste zu beenden pflegt. Wie er das denn mache, wird er einmal gefragt. «Indem ich einfach
mich selbst bin», antwortet Bernie, und in seinen müden Augen ist zu lesen, dass er längst resigniert hat und auch kein Mitleid mehr erwartet. Dieses wird er freilich auch nicht bekommen,
zumindest nicht von seinem Arbeitgeber Shelly (verdiente Oscar-Nominierung für Alec Baldwin), einem skrupellosen Kasino-Manager der alten Schule, dem eine Gruppe jung-dynamischer,
modernisierungswütiger Investoren im massigen Nacken sitzt. Bei ihm steht Bernie nämlich seit einigen Jahren in der Schuld, welche in sieben Tagen aber abgetragen sein wird, weshalb er – sehr zu
Shellys Missfallen – Las Vegas bald schon für immer den Rücken zu kehren gedenkt. Doch dann scheint sich Bernies Blatt doch noch zu wenden: Die etwas abgekämpft ausschauende, aber ausnehmend
attraktive Kellnerin Natalie (Maria Bello) hat sich in ihn verguckt und erweckt den notorischen Unglücksraben zu neuem Leben. Mit der Karriere als Cooler ist es nun allerdings aus, denn auf
einmal – wiederum sehr zu Shellys Missfallen – wird Bernie zum unerwünschten Glücksbringer. Glück im Spiel, Glück in der Liebe – das kann in einer Stadt wie Las Vegas gefährlich werden.
Meisterhaft verwoben
In nur 21 Drehtagen hat Regisseur Wayne Kramer mit «The Cooler» einen modernen Film noir gedreht, der sich von der anfänglichen melancholischen Verliererballade mit der Zeit zum
stimmungsvollen, vielschichtigen Thriller mit comic- oder gar märchenhaften Zügen wandelt. In der formalen Umsetzung raffiniert, präzise, trickreich, aber nie übermütig, überschäumend,
überkandidelt, im Erzähltempo gemächlich, aber nie behäbig, im Gesamtbild eher altmodisch, aber nie altbacken, ist Kramers erste grössere Produktion gleich ein ziemlich grosser Wurf. Geradezu
meisterhaft werden hier unterschiedlichste Aspekte und Akzente, verschiedenste Erzählebenen zu einem höchst homogenen Ganzen verwoben. Die neue und die alte Kasinokultur in Las Vegas stehen in
der relativ eigenständigen Geschichte um Shelly im Mittelpunkt und Widerstreit, Verrat und Betrug sind allgegenwärtig, kleinere und grössere menschliche Dramen spielen sich ab, die Wege allerlei
tragischer und gescheiterter Existenzen kreuzen sich, und Fortuna ist dabei stets die launische Dirne, die offenbar mehr schlechte als gute Tage hat. Vor allem aber ist «The Cooler» ein Film über
die Kraft der Liebe, darüber, wie sie alles in einem neuen Licht erscheinen lässt, darüber, wie sie auch ein noch so verpfuschtes Leben retten kann, darüber, wie sie das Gute im Menschen
hervorbringt.
Auf den Leib geschrieben
Derweil in vielerlei Hinsicht gerade das Realitätsferne der Geschichte hervorgehoben wird, ist in der Schilderung der Liebesbeziehung eine gänzlich gegenteilige Taktik auszumachen. Die für
amerikanische Verhältnisse vergleichsweise freizügigen Szenen zwischen Macy und Bello dienen denn auch nicht der Befriedigung der Schaulust, sondern der Erzeugung von Intensität und
Plausibilität. Erotik ist wohl mit im Spiel, sie steht aber eindeutig an zweiter Stelle. Respekt sicherlich auch für den mutigen Körpereinsatz, aber vor allem für eine grossartige Gesamtleistung
verdient der 54-jährige William H. Macy («Fargo»). Eigens für ihn hat Kramer das Drehbuch geschrieben, doch war Macy eigentlich der ewigen Verliererrollen allmählich überdrüssig. Dass er sich
doch noch überreden liess, ist gewiss als grosser Gewinn zu werten, denn in der Tat ist dieser Bernie Lootz eine Rolle, die eigentlich nur William H. Macy spielen kann. Und überhaupt: Als
Verlierer mag Bernie ja ins Rennen gehen, doch am Ende scheint auch ihm das Glück für einmal hold zu sein.