Monumentales Affentheater

Mit dem rund 200 Millionen Dollar teuren «King Kong»-Remake hat Peter Jackson einen perfekt orchestrierten Blockbuster geschaffen, dem sogar Oscar-Chancen eingeräumt werden müssen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Nachdem James Cameron vor rund einem Jahrzehnt die zuvor bereits mehrfach und am erinnerungswürdigsten 1953 von Jean Negulesco filmisch versenkte «Titanic» wieder rausgefischt hat, kratzt nun also «Lord of the Rings»-Zeremonienmeister Peter Jackson den schon 1933 von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack vom Empire State Building runtergeschubsten King Kong wieder vom Boden auf. Anders als im Falle des Eisberg-geschädigten Luxusdampfers und der «King Kong»-Version von John Guillermin aus dem Jahre 1976 darf bei diesem monumentalen, über dreistündigen und rund 200 Millionen Dollar teuren Affentheater freilich von einem Remake im engeren Sinne gesprochen werden. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Unterfangens soll an dieser Stelle für einmal ebenso zurückgestellt werden wie das übliche Lamento über die Einfallslosigkeit der Mikrowelle Hollywood, die sich bei seinen Blockbuster-Kisten ja eh nur noch aufs Aufwärmen ranziger alter Schinken oder fader Serien- und Sequelkost beschränkt. Vielmehr soll der Blick gerichtet werden auf ein perfekt orchestriertes (Spezialeffekt-)Spektakel, das kaum Wünsche offen lässt und zum Aufwendigsten, Ausgeklügeltsten und Atemberaubendsten gehört, was die XXL-Kategorie in den letzten Jahren dem unbeschwert unterhaltungswilligen Publikum so offeriert hat.

Einmal Schädelinsel retour

Angesiedelt ist die Geschichte – zunächst – wiederum im depressionsgebeutelten New York der Dreissigerjahre. Dem schmierig-skrupellosen Filmemacher Carl Denham (Jack Black) steht das Wasser bis zum Halse, weshalb er sich dazu entschliesst, mit einer ahnungslosen Filmcrew um das liebliche Starlet Ann Darrow (Naomi Watts) und den renommierten Autor Jack Driscoll (Adrien Brody) in See zu stechen. Ziel der abenteuerlichen und illegal angetretenen Reise ist aber nicht etwa Singapur, wie es Denham allen weismacht, sondern die noch unentdeckte, sagenumwobene Schädelinsel: «Skull Island». Dort hofft Denham Sensationelles auf Zelluloid bannen zu können, einen Abenteuerfilm zu drehen, der alles bislang da Gewesene in den Schatten stellt. Was er und sein Team dort vorfinden, übertrifft indes die kühnsten Erwartungen und artet schon bald in einen pfundigen Albtraum aus: Gar ungastfreundliche Eingeborene bereiten ihnen eine Willkommensparty der garstigen und blutigen Art und entführen schliesslich Ann. Und wenn die brave Blondine dann dem Tode ins Auge blickt, ist es – nach eineinviertel Stunden Spielzeit – endlich so weit: Der monströs mächtige und dank modernster CGI-Technologie wahnsinnig gut ausschauende Titelheld erscheint auf der Bildfläche, schnappt sich die nunmehr winzig wirkende Ann und stampft seiner Wege. Ihre Kameraden sehen sich unterdessen mit einigen nicht minder eigentümlichen, aber umso gewalttätigeren Kreaturen konfrontiert: Derweil sich das Biest allmählich mit der Schönen anfreundet und diese aus nicht zu knappen Leibeskräften vor so manchem Unbill beschützt, schlittert Jack auf der Suche nach seiner Frischauserwählten mit seinen teils filmenden, teils kämpfenden Gefolgsleuten von einem haarigen Scharmützel ins andere. War Jacksons Action-Dimensionen sprengender und Fantasy-Standards pulverisierender Husarenstreich in seiner ersten Stunde noch eine beschwingte, im Retrolook inszenierte Komödie mit einer Prise Romantik, wird jetzt unter tricktechnisch gigantischem Aufwand und überraschend hohem Blutzoll gerannt, gekämpft und gemetzelt. Die Drehbuchautoren dürfen nun einstweilen ihren Dienst einstellen. Was jetzt folgt, ist ein gelegentlich in eine Nummernrevue ausartendes Schaulaufen der komischen und mitunter auch ziemlich ekligen Viecher. Nun sind die ganz weiten Kamerafahrten angesagt, Opulenz mit Mut zum Witz und Kitsch, ohrenbetäubende und nervenzerreissende Action, die von nur raren Verschnaufpausen unterbrochen wird. Und es kommt noch besser: Nachdem es Denham und Schiffkapitän Englehorn (Thomas Kretschmann) gelungen ist, Kong einzufangen und nach New York überzuführen, geht der Turbotrubel inmitten von Wolkenkratzern und im legendären Showdown auf dem Empire State Building erst richtig los. Das sind dann die Bilder, die kommende Generationen auf den Umschlägen der Filmgeschichtsbücher bestaunen werden. Die todtraurige, von Kampffliegern ihres auch in seiner Tragik kolossalen Freundes beraubte Ann auf dem Gipfel New Yorks – das hat in der Tat die Einprägungskraft der immer wieder hergezeigten Aufnahme von Jack und Rose auf der Reling der «Titanic» im Sonnenuntergang: «I’m the king of the world».

Immenses Risiko

Dass Peter Jackson nun endgültig der «Master of Fantasy» ist und diesen Winter auch zum «King of Box Office» wird, steht nicht zu bezweifeln. «King Kong» ist aber nicht nur dazu bestimmt, der ganz grosse Kassenschlager zu werden, sondern auch dazu verdammt – nicht zuletzt aus der Sicht seines neuseeländischen Regisseurs: Die Petitesse von 32 Millionen Dollar soll Jackson zwecks Deckung von Budgetüberziehungen aus der Privatschatulle in sein Herzensprojekt reingebuttert haben; das Risiko bleibt also auch für ihn selbst immens. In die Karten spielen würde ihm da sicherlich ein neuerlicher und sich bis in die Königskategorien «Bester Film» und «Beste Regie» ausstreckender Siegeszug bei den Oscars. Dass es dazu kommen wird, ist nicht auszuschliessen, doch wäre derlei Ehrbezeugung dann vielleicht trotz aller technischen Trickserei, inszenatorischen Zauberei und logistischen Hexerei ein bisschen zu viel des Guten. «King Kong» ist zwar überaus schmackhaft zubereitetes, durchaus gesalzenes und bisweilen auch schön klebriges Popcorn-Kino. Mit einigermassen ernsthafter und somit prämierungswürdiger Filmkunst hat das alles aber natürlich nicht so viel zu tun.