Die rechte und die linke Faust des Teufelskerls

Das Boxerdrama «Southpaw» von Machoregisseur Antoine Fuqua erlebt so viele Tief- wie Höhepunkte. Genauso wie sein Held, den ein völlig entfesselter Jake Gyllenhaal mit einer Karriere-Bestleistung verkörpert.

 

von Sandro Danilo Spadini

«Daddy hat gewonnen», schreibt die schrill-rassige Maureen (Rachel McAdams) per SMS – und gibt so am Ende des Prologs schon mal einen schalen Vorgeschmack auf das, was im Boxerdrama «Southpaw» auch noch folgen wird. Und dabei hat das, was wir bis jetzt gesehen haben, doch so gefallen. Wir sind im Madison Square Garden. Wir haben in dessen Katakomben zunächst seltsam ausführlich gezeigt bekommen, wie dem Helden die Hände bandagiert werden, und haben gedacht: so, mal was anderes. Dann haben wir gesehen, wie dieser Billy «The Great» Hope (Jake Gyllenhaal) in einem packenden Kampf seinen vierten Titel im Halbschwergewicht erringt. Und gefilmt war das von Regisseur Antoine Fuqua solcherart, dass wir gehofft hatten: Das ist der Film, den dieser noch immer Unvollendete gebraucht hat. Mit ihm könnte der Mann, der vor 14 Jahren mit dem Copdrama «Training Day» so grosse Hoffnungen geweckt hatte, endlich sein Versprechen einlösen – nach manchem Patzer («King Arthur») und weiteren Talentproben («The Equalizer»). Und tatsächlich hätte dies sein Film werden können – hätte er sich für einmal gezügelt und hätte ihm «Sons of Anarchy»-Erfinder Kurt Sutter nicht ein Skript hingeschmiert, das die Subtilität eines Kinnhakens hat und auf keines der vielen Boxfilm-Klischees verzichten mag.

Gyllenhaals Triumph

Pappfiguren wie den knurrigen Trainer (Forest Whitaker), den gierigen Manager (50 Cent) und den mit jeder Faser seines Muskelkörpers bösen Gegner (Miguel Gomez) nähme man vielleicht noch hin; auch Billys plausibilitätstechnisch recht ruppige Achterbahnfahrt liesse man ja durchgehen; und selbst die teils desaströsen Dialoge würde man unter günstigeren Umständen irgendwie wegstecken. Aber eben, die SMS hat es verraten: Da ist noch ein Kind. Und wo im Hollywood-Kino ein Kind ist, ist gar oft auch eine Eltern-Kind-Beziehung, die einem noch den letzten Nerv raubt. In «Southpaw» stellt sie sich so dar, dass Billys Töchterlein (Oona Laurence) zwar klüger ist als er, was – man muss es sagen – keine Kunst ist. In der Beurteilung ihres aus dem Gleichgewicht geratenen Papas offenbart sie indes einen derartigen Wankelmut, dass man meinen könnte, Sutter wolle ihr eine bipolare Störung unterschieben. Das Einzige, was diese Szenen erträglich macht, ist Jake Gyllenhaals totale Einverleibung dieses simplen und versehrten Gemüts. So wie dieser bis zu seinem mimischen Erwachen mit dem Triple «Prisoners», «Enemy» und «Nightcrawler» noch unlängst Unterschätzte jede der 123 Minuten trotzdem sehenswert macht. Wo sich der Film am Vorbild «Raging Bull» kläglich vermisst, da vermag Gyllenhaal mit seiner bald ruppigen, bald rührenden Zeichnung an Robert De Niros Wahnsinnsleistung heranzukommen.

Schwarz, Weiss, Blutrot

Nachdem Fuqua einst schon Denzel Washington zu Oscar-Würden dirigiert hat, scheint es also seine Stärke zu sein, die Darsteller zu pushen. Und ihnen unbekannte Facetten zu entlocken. Zu einem Michael Mann («Heat») macht ihn das aber noch nicht. Der ist ein Männerregisseur, Fuqua hingegen bloss ein Machofilmer. Bei der Bildkomposition, die Mann so auszeichnet, mag er sich zwar verbessert haben; davon zeugt das stimmige Farbkonzept mit dominanten Grautönen. Genau diese sind ansonsten aber weiterhin nicht sein Ding. Bei ihm gibt es nur Schwarz, Weiss – und Blutrot. Auch was das angeht, hatte das bärenstarke Auftaktviertel Erwartungen geweckt, die unerfüllt blieben. Hübsch war es etwa, wie Fuqua das Klammern im Ring einige Szenen später der Umarmung der Tochter gegenüberstellte. Wie er Billys Waisenhauskindheit am Prunk und Protz seines heutigen Villalebens spiegelte. Wie er das markige «Fear no man»-Tattoo auf dem Boxerrücken ins Bild rückte, um dann seinerseits mit voller Härte zu zeigen, dass es Dinge gibt, denen auch Billy nicht gewachsen ist. Oder wie er dessen Mitschuld am Drama in den Raum stellte, das nach diesem ersten Viertel zum Wendepunkt wird. Und was bis zum Ende grandios bleibt: die Choreografie der Kämpfe. Weil diese so übertrieben brutal sind, wie das Skript brutal übertrieben ist, kommt einem am Ende freilich trotzdem kein «Raging Bull», kein «Million Dollar Baby» und kein «The Fighter» in den Sinn – sondern höchstens vielleicht: «Rocky IV».