Unerbittlicher Nervenkrieg beim Generationentreffen

In Gregory Hoblits raffiniertem Justizthriller «Fracture» liefern sich Jungstar Ryan Gosling und der abermals überragende Routinier Anthony Hopkins ein packendes Duell.

 

von Sandro Danilo Spadini

Ausser einem guten Charakter hat Ted Crawford (Anthony Hopkins) eigentlich alles. Dicke Brieftasche? Rassiger Sportwagen? Tolle Bude? Alles da. Und eine hübsche und natürlich junge Frau (Embeth Davidtz) fehlt auch nicht. Alles im Lot also? Nichts da. Zumal ebendiese hübsche und natürlich junge Gemahlin einer ihm lästigen ausserehelichen Aktivität frönt, was einem Mann wie Ted Crawford jetzt aber wirklich nicht schmecken kann. Die rabiate Konsequenz daraus ist eine auf Frau Crawford gerichtete Faustfeuerwaffe und die sodann eiskaltblütig ausgeführte Exekution. Zwar überlebt die Untreue diese Unmutsbekundung ihres Gatten, doch mit einer Aussage wird das angesichts ihres komatösen Zustands einstweilen nichts. Ist aber auch nicht nötig, denn Herr Crawford mag erst gar nichts beschönigen und lässt sich von dem zum Tatort bestellten Polizeispezialisten (Billy Burke) in Gewahrsam nehmen. Aus Sicht der Strafverfolgung eher ungut ist dabei, dass dieser Polizist just jener Spitzbube ist, mit dem sich Frau Crawford unlängst noch in den Laken gewälzt hat – was sich nun wiederum gänzlich der Kenntnis von Willy Beachum (Ryan Gosling) entzieht. Dieser ist in seiner Funktion als zuständiger Staatsanwalt wohl ein wenig verblüfft, als sich Crawford vor Gericht selbst verteidigen will, trotz vorherigen Geständnisses auf nicht schuldig plädiert und ziemlich schlüssig auf manch fehlendes Glied in der Beweiskette hinweist; doch eigentlich ist der jung-dynamische Beamte mit seinen Gedanken schon längst bei seinem neuen Arbeitergeber und dem von selbigem offerierten schnöden Mammon. Mit nur halben Einsatz ist aber gegen den diabolisch cleveren Angeklagten Crawford kein Blumentopf zu gewinnen, und so packt den bis dato beinahe unbezwingbaren Willy dann doch noch der Ehrgeiz.

Elegantes Spielchen

Den ultimativen Gerichtsthriller hat Regisseur Gregory Hoblit mit «Fracture» zwar nicht geschaffen. Gleichwohl darf er sich ein Glaserl gönnen, gelingt ihm doch mit dieser raffinierten und gewitzten Genrearbeit der persönliche Turnaround. Mit seinen ersten beiden Kinoarbeiten «Primal Fear» und «Fallen» hatte der einstige TV-Mann in den späten Neunzigern nämlich einen blendenden Start erwischt, enttäuschte hernach aber mit den Nachfolgern «Frequency» und «Hart’s War» die in ihn gesetzten Hoffnungen. Als Entschädigung dafür wollte Hoblit ursprünglich mal mit Richard Gere in der Antarktis die Geschichte des Bad Ragazer Fotografen Bruno Pinguin Zehnder verfilmen. Das Projekt «The Emperor Zehnder» wurde mittlerweile jedoch archiviert, und stattdessen wandelt Hoblit nun wieder stilsicher auf den Spuren von Justizspezialist Sidney Lumet. Sich zunächst der Planung und Ausführung des scheinbar perfekten Mordes widmend, kommt sein aktueller Wurf in den ersten Minuten freilich wie eine etwas aufwendiger produzierte «Columbo»-Folge daher. Doch an die Stelle eines zerknautschten Gesetzeshüters tritt schon bald ein schneidiger Junganwalt, der mit seinem optischen Erscheinungsbild auch besser zur edlen Ausstattung und der eleganten Inszenierung dieses geschickt mit den Zuschauererwartungen spielenden Films passt.

Schauspielerisches Spektakel

Ähnlich wie in «Primal Fear» mit Richard Gere und Edward Norton veranstaltet Hoblit in «Fracture» ein hochgradig reizvolles Generationentreffen vor der Kamera, aus dem Anthony Hopkins und das Standfestigkeit beweisende Ausnahmetalent Ryan Gosling (heuer Oscar-nominiert für «Half Nelson») ein nervenaufreibendes Spektakel machen. Klar ist es kein Casting-Geistesblitz, Hopkins abermals als skrupellos Spielchen spielendes und verbale Hiebe austeilendes Genie in Szene zu setzen; das Rad erfinden damit und auch mit allem anderen gewiss weder Hopkins noch Hoblit neu, ja jenes der Zeit drehen sie sogar ein wenig zurück. Doch ist das in diesem Fall ausdrücklich zu begrüssen. So hat man es bei «Fracture» mit einem wendungs-, wenn auch kaum überraschungsreichen Thriller zu tun, der nicht bloss unterhalten will (was er tut), sondern auch Sinn machen möchte (was er ebenfalls tut). Und das ist dann irgendwie auch wieder fast neu und modern.