Wunderbares und Wunderliches

Oscar-verdächtig: Michael Douglas muss als kiffender Literaturprofessor und Wunderkind a. D. an einem total verrückten Wochenende endlich Farbe bekennen und längst überfällige Entscheidung treffen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Die Messlatte lag hoch und das hat sich Regisseur Curtis Hanson ganz allein selbst zuzuschreiben. Jahrelang fristete der 55-jährige ein eher unauffälliges Dasein, lieferte mit Filmen wie «Das Schlafzimmerfenster» (1987) oder «Die Hand an der Wiege» (1992) solide Thriller-Kost ab. Doch dann folgte 1997 mit der genialen Film-noir-Hommage «L.A. Confidential» der grosse Exploit und die Fachwelt erkor Hanson zum neuen Wunderkind Hollywoods.

Mut zum Risiko

Kein Wunder also, dass Hansons nächstes Projekt mit grosser Spannung erwartet wurde. Dass er sich für seine Meisterprüfung ausgerechnet eine Komödie aussuchte, zeugt nicht nur von grossem Mut, sondern auch von einem stark ausgeprägten Selbstvertrauen. Auch die Besetzung von Michael Douglas in der für ihn völlig atypischen Rolle eines kauzigen Literaturprofessors darf durchaus als unkonventionell gewertet werden, zumal dieser wie kaum ein anderer in den vergangenen Jahren auf die Verkörperung gewisser Archetypen festgelegt war. Um es vorweg zu nehmen: Mut zum Risiko zahlt sich bisweilen auch aus. «Wonder Boys» wird nicht von wenigen – und dies völlig zurecht – als Film des Jahres bezeichnet und gilt ebenso wie Hauptdarsteller Douglas als heisser Oscar-Kandidat. «Wonder Boys» ist die Verfilmung eines Romans von Michael Chabon um den verschrobenen  Professor Grady Tripp, der vor einigen Jahren nach der Veröffentlichung seines ersten Buches zum neuen Wunderkind der amerikanischen Literaturszene gekürt wurde, diesem Ruf anschliessend aber nie gerecht werden konnte. Als der alljährliche Literatur-Wettbewerb  ansteht, wird Tripp gleich in mehrfacher Hinsicht gezwungen, sich aus seiner Marihuana umhüllten Lethargie zu lösen. Nicht nur, dass ihn seine Frau verlassen hätte und seine Geliebte schwanger wäre, nein, auch sein durchgeknallter Lektor, ein ebenso talentierter wie sensibler Schüler sowie ein blinder Hund setzen ihm arg zu. Von Tripp wird erwartet, endlich gewisse Entscheidungen zu treffen, um wieder etwas Ordnung in sein chaotisches Leben zu bringen.

Perfekter Film

Es ist äusserst beruhigend zu sehen, dass Hollywood auch noch Komödien für über 16-Jährige dreht. «Wonder Boys» ist ein wunderbar charmanter und zugleich brüllend komischer Film, der von einer wahren Fülle skurriler Einfälle lebt. Curtis Hanson schafft erneut das Kunststück, immer den richtigen Ton zu treffen und dem Film eine unvergleichliche Atmosphäre zu verleihen. Neben Douglas, der seit Gekko nicht mehr so gut war, verfügt Hanson mit Frances McDormand, Tobey Maguire und Robert Downey jr. zudem über eine überragende Besetzung. «Wonder Boys» ist schlicht ein perfekter Film und wäre in der Tat ein überaus würdiger Nachfolger von «American Beauty» – und Curtis Hanson spielt fürderhin endgültig in der ersten Liga.