von Sandro Danilo Spadini
Es gibt zwei grosse Leidenschaften im Leben von Sam (Oscar-Nominierung für Sean Penn): die Beatles und vor allem seine siebenjährige Tochter Lucy. Da Sam aber geistig zurückgeblieben ist und die
intellektuelle Kapazität seiner Tochter allmählich die seinige übersteigt, droht ihm die Vormundschaftsbehörde mit dem Entzug des Sorgerechts. Dies wollen aber weder Sam und Lucy noch die
karrieresüchtige Staranwältin Rita (eine farblose Michelle Pfeiffer in einer typischen Michelle-Pfeiffer-Rolle). Mit vereinten Kräften treten die drei einen aussichtslos scheinenden Kampf an, in
dessen Verlauf jeder auch noch etwas fürs Leben lernt.
Überdosis Gefühl
Das Drehbuch von «I Am Sam» als besonders
originell zu bezeichnen, käme der Sache nicht eben gerecht. Wenn sich Hollywood einsetzt für «mentally challenged people», geistig herausgeforderte Menschen, wie das in den USA heutzutage
politisch korrekt heisst, dann ist in der Regel mit einer Überdosis Gefühl zu rechnen. So auch in «Ich bin Sam», einem politisch überaus korrekten Film. Es übersteigt schon das Mass des
Erträglichen, wenn beispielsweise die etwas zu süsse Lucy – eines dieser Hollywood-Kinder, das gesegnet ist mit der Weisheit eines 90-jährigen tibetischen Lamas – auf die Frage nach den
Vaterqualitäten von Sam mit dem Beatles-Motto «All you need is love» antwortet. Auch Ritas Läuterung von der gefühlskalten, hyperaktiven Rabenmutter zum fürsorglichen, ausgeglichenen Gutmenschen
ist mässig aufregend.
Die Sean-Penn-Show
Andererseits lassen sich einige Gründe dafür finden, dass «I Am Sam», zumal in der richtigen Stimmung genossen, auch durchaus Spass machen kann. Da wäre zuallererst Hauptdarsteller Sean Penn zu
erwähnen. Zwar fragt man sich ein wenig befremdet, weshalb sich ein allenthalben als Hollywood-Hasser verschriener Querkopf wie Penn für solch einen Mainstream-Film hergibt, doch seine Leistung
nötigt einigen Respekt ab. Sein Hauptverdienst ist es denn auch, dass «Ich bin Sam» bisweilen auch ans Herz geht und nicht bloss auf den Magen schlägt. Den Balanceakt zwischen Respekt vor den
Behinderten und Situationskomik meistert Penn souverän, weshalb der mit über zwei Stunden Spieldauer entschieden zu lange Tränendrücker auch mit einigen Lachern aufwarten kann. Ein zusätzliches –
wenn auch nicht übertrieben dickes – Lob darf Regisseurin Jessie Nelson für sich beanspruchen. Sie versucht ihre 08/15-Geschichte mittels zeitgemässer Schnitttechnik und Kameraführung sowie durch
den Einsatz weiterer moderner Stilmittel wie Farbfiltern wenigstens visuell einigermassen attraktiv rüberzubringen. Das wirkt zwar mitunter etwas manieriert, bringt aber Leben in die ansonsten
nicht so mitreissende Angelegenheit, zumal ihr einige wirklich schöne Aufnahmen gelungen sind. Und schliesslich wäre da noch der ausschliesslich aus Beatles-Coverversionen von Künstlern wie Ben
Harper, Aimee Mann oder Sarah McLachlan bestehende Soundtrack. Dieser lässt im Gegensatz zum Film keine Wünsche offen.