Von Sandro Danilo Spadini
Die Exotik und der Machismo der Connery-Ära; die Gaudi und die Fantasterei der Moore-Zeit; die Lässigkeit und die Durchschnittlichkeit der Brosnan-Filme: Das alles ist mehr oder minder
Vergangenheit, seitdem die Bond-Reihe vor sechs Jahren mit «Casino Royale» und Daniel Craig in der Hauptrolle neu lanciert wurde. Gänzlich brechen lassen mit der Tradition hat man Craigs Bond
zwar nicht; modelliert hat man ihn aber ausgerechnet an den beiden kurzlebigsten Vorgängerversionen: Wie George Lazenbys 007 ist auch seine Figur ein verletzlicher Bursche und obendrein auch noch
verliebt wie ein Normalsterblicher. Und wie Timothy Daltons Modell aus den zynisch-rabiaten Endachtzigern ist er ein recht grimmiger Geselle und damit ein standesgemässer Vertreter seiner
krisengeschüttelten Zeit. Schon rein optisch setzten die Macher der Reihe mit dem blonden Craig einen herben Kontrapunkt. Und dann fährt der mitunter auch noch Ford. Hat kaum noch Gadgets. Kaum
noch Girls. Kaum noch Charme. Kaum noch Schmäh. Keine Miss Moneypenny zum Flirten. Keine Freude am Töten. Keine Vorlieben beim Wodka-Martini. Und öfters keinen Plan.
Zurück auf Start
Dass sich Craigs Bond bisweilen gebärdet wie ein verstörter Grünschnabel, hat aber seinen Sinn. Denn wie zuvor die Batman- und danach die «Star Trek»-Reihe setzten auch die 007-Macher mit «Casino
Royale» nochmals ganz am Anfang, also bei Ian Flemings erstem Roman ein. Und das eröffnet ihnen natürlich völlig neue Perspektiven. Spannende Perspektiven. Zumal die schon lange zu Ende gedachte
Figur nun wieder in der Entwicklung begriffen ist – für deren Darsteller, aber auch die Drehbuchautoren eine attraktive Ausgangslage. Um aus ihr Profit zu schlagen, braucht es freilich Leute mit
einer gewissen Klasse. Daniel Craig hat diese zweifelsohne. Er war bereits ein gestandener Mime, bevor er den Dienst beim MI6 antrat. Und seine Mitstreiter haben diese Qualität vermehrt auch.
Waren es früher vorwiegend ambitionslose Schreiber und gewöhnliche Actionregisseure, die das Geschehen ersannen und bestimmten, so verströmt der Bond-Führungsstab neuerdings Glanz und vor allem
Glorie: Der Oscar-dekorierte Autor und «Crash»-Regisseur Paul Haggis polierte die Skripts zu «Casino Royale» und dem Nachfolger «Quantum of Solace»; der Schweizer Überflieger Marc Forster
inszenierte Letzteren; und bei «Skyfall» nun hat mit Sam Mendes («American Beauty») ein gar noch profilierterer Mann diese Aufgabe inne.
52 Oscar-Nominierungen
Mendes ist indes nicht die einzige Spitzenkraft in der «Skyfall»-Crew. Mit Peter Morgan («The Queen») gehörte dieser zunächst auch der Shootingstar schlechthin unter den Drehbuchautoren an.
Aufgrund des Finanzwirrwarrs um das Bond-Studio MGM und des daraus folgenden Produktionsstopps ging Morgan zwar frühzeitig von Bord; seine Ideen flossen aber sehr wohl noch ein in das finale
Skript, an dem auch John Logan werkelte: ein Mann, dessen Filmografie kinogeschichtlich so Relevantes wie «Any Given Sunday», «Gladiator», «The Aviator» und «Hugo» schmückt. Und auch auf der
Besetzungsliste finden sich so klangvolle Namen wie noch nie: Bond-Boss Judi Dench und Bösewicht Javier Bardem sowie die beiden britischen Kämpen Ralph Fiennes und Albert Finney vereinigen
ansehnliche 16 Oscar-Nominierungen auf sich – und hieven das diesbezügliche Total der gesamten «Skyfall»-Belegschaft so auf atemberaubende 52.
Ganz im Trend
Das Zauberwort für den Bond der Craig-Ära scheint also Qualität zu sein. Und ebensolche war auch dringend vonnöten, als es am 14. November 2006 wieder losging nach vierjähriger Pause. Denn so
punktgenau Pierce Brosnan seine Figur mit einer Mixtur aus Connerys Kernigkeit und Moores Eleganz auch verkörperte: Die Serie an sich drohte nach vier weitgehend einfallslosen Streifen während
seiner Dienstzeit der Belanglosigkeit und, fast schlimmer noch, der Austauschbarkeit anheimzufallen. Indem man praktisch alle althergebrachten Formeln und Floskeln, Tricks und Spleens aus der
Serie hinauskomplimentierte und Bond mehr Bodenhaftung verordnete, verschaffte man sich freilich auch nicht mehr Eigenständigkeit; vielmehr folgte man dem Trend, den zwei andere
Blockbuster-Franchisen gesetzt hatten: die um tiefgekühlten Realismus bemühte Jason-Bourne-Reihe und die das Fantastische fast völlig verbannende Batman-Serie. Auf dem von diesen beiden
(Anti-)Helden gepflügten Terrain sollte auch James Bond fürderhin schwitzen und schuften: nicht länger als Übermensch im tricktechnisch aufgeplusterten Kampf gegen weltfremde Widerlinge. Sondern
als differenziert schattierte Persönlichkeit im bodenständig aufbereiteten Widerstreit mit relativ realen Bedrohungen – und unbedingt auch sich selbst. Kein Superheldentum war also mehr gefragt;
davon kündet das Kino von heute ja auch wirklich ausgiebig genug. Vielmehr wollte man einen «echten» Menschen zeigen, der weit über die Testosteron-Fraktion hinaus sein Publikum finden sollte.
Und er fand es tatsächlich. Der Neustart mit «Casino Royale» geriet furios. Die Zuschauer nahmen diesen neuen Bond an; die Kritik liebte ihn sogar; und die ehedem noch so lauten Diskussionen über
Daniel Craig und multiple Traditionsbrüche erstickten in der berechtigten Euphorie.
Mendes besser als Forster?
Und schon kurz darauf setzten die Bond-Macher gleich noch einen drauf: indem sie die Verpflichtung des helvetischen Regiewunders Marc Forster für den 22. Teil der Serie verkündeten. Nie zuvor
wurde einem Mann solchen Kalibers der Taktstab übergeben; und klar war damit, dass dank dem gerade auch im ernsten Fach erprobten Forster die Menschwerdung der Kunstfigur Bond weiter
vorangetrieben würde. In «Quantum of Solace» geschah denn auch just dies – und ein gewichtiges Novum: Die Geschichte, früher mehr Pflicht denn Kür, setzte unmittelbar beim Finale des Vorgängers
an und wurde dadurch nochmals aufgewertet. Nicht Schritt zu halten mit dem geopolitisch spannenden Skript vermochte dann aber ausgerechnet die Inszenierung des Starregisseurs, der mit den
Actionszenen seine liebe Mühe hatte. Forster konnte so auch nicht den Gegenbeweis liefern, dass Bond-Streifen mehr Produzenten- denn Regisseurenfilme sind. Ob dies dem noch namhafteren Kollegen
Sam Mendes gelungen ist? Falls ja, müsste sich «Skyfall» eigentlich als Höhepunkt der 50-jährigen Bond-Geschichte erweisen.
Sean Connery: Der Spätstarter
Als der Schotte 1962 die Lizenz zum Töten erhielt, war er fast ein Nobody. Bloss 8 Jahre davor, mit immerhin schon 34 Lenzen, hatte Connery überhaupt erst mit der Schauspielerei angefangen. Bis
zum katapultartigen Kinodurchbruch mit «Dr. No» folgten fast ausschliesslich Auftritte in britischen TV-Produktionen. Während seiner zehnjährigen Dienstzeit bei Ihrer Majestät dann ging Connery
auch gerne fremd: Unter anderem drehte er mit Sidney Lumet und Alfred Hitchcock («Marnie»). Nachdem er 1983 im inoffiziellen Bond «Never Say Never Again» nochmals den 007 gegeben hatte,
avancierte er ab Mitte der Achtziger endgültig zum Superstar. Nebst Kassenschlagern wie «The Name of the Rose» und «Indiana Jones» feierte er zu dieser Zeit auch seinen persönlichen
Karrierehöhepunkt: mit dem Nebendarsteller-Oscar für «The Untouchables». Die Neunziger waren dann von einer wenig glücklichen Rollenwahl geprägt – der Actionkracher «The Rock» war einer der raren
Hits. Auch das Karriereende war lau: Letztmals auf der Leinwand zu sehen war Connery 2003 im Flop «The League of Extraordinary Gentlemen».
George Lazenby: Der Schöne
Es waren in erster und wohl auch zweiter Linie optische und physische Vorzüge, die dem Australier 1969 die Nachfolge Sean Connerys bescherten. Denn schauspielerische Erfahrung hatte der
athletische Dressman und ehemalige Autoverkäufer keine vorzuweisen, als er 30-jährig im Rüschenhemd seinen Dienst antrat. So wenig, wie seine Feminisierung der Bond-Figur bei den Fans ankam, so
unerfreut waren die Produzenten über die Starallüren, die der Neo-Schauspieler entwickelte. Entsprechend froh war man, dass der es verpasst hatte, den ursprünglich angebotenen Siebenjahresvertrag
für fünf Filme zu unterzeichnen – umso mehr, als sich «On Her Majesty’s Secret Service» als Reinfall erwies. So blieb es für Lazenby bei dem einen Bond-Auftritt, und mit einer erfolgreichen
Schauspielkarriere wurde es auch nichts mehr. In den Siebzigern drehte er einige Actionfilme in Hongkong, in den Neunzigern wirkte er in sieben Folgen der wiederaufgelegten Softsexfilm-Reihe
«Emmanuelle» mit. Auch heute steht Lazenby noch sporadisch vor der Kamera. Zum 50-Jahr-Bond-Jubiläum erscheint zudem seine Autobiografie.
Roger Moore: Der Lustige
Bereits 45-jährig war der smarte Engländer 1973 zu Dienstbeginn – und ein gestandener Fernsehmime. Zum Star wurde Moore in den Sechzigern als Simon Templar in «The Saint»; 118-mal verkörperte er
den Meisterdieb auf der Mattscheibe. Legendärer aber noch sind seine 24 Auftritte als Lord Brett Sinclair zu Beginn der Siebziger in «The Persuaders!» an der Seite von Tony Curtis; Kultstatus
erreichte die Serie dank einer aberwitzigen Synchronisation freilich vor allem im deutschen Sprachraum unter dem Titel «Die Zwei». Gänzlich vernachlässigbar sind derweil Moores «Auswärtsspiele»
während seiner zwölf Bond-Jahre bis 1985, darunter auch ein Gastauftritt als Inspektor Clouseau in Blake Edwards‘ unglücksseligem «Curse of the Pink Panther». Eher von der affigen Sorte waren
auch seine Rollen in den 27 Jahren danach: etwa in Willy Bogners Ski-Actionfilm «Fire, Ice & Dynamite» oder im Spice-Girls-Film «Spice World». Umso wertvollerer ist demgegenüber die
humanitäre Arbeit, die er bis heute für Unicef leistet.
Timothy Dalton: Der Sperrige
Schon als Connery-Nachfolger war der Waliser ein Thema. Und zehn Jahre später wurde er erneut von den Bond-Leuten angefragt. Beide Male sagte Dalton selbst ab: Ende der Sechziger, weil er sich
mit 25 zu jung für die Rolle fühlte; Ende der Siebziger, weil dem Shakespeare-Mimen die jovial-flippige Richtung nicht taugte, die die Reihe unter Moore genommen hatte. Mehr auf Realität getrimmt
waren denn auch die beiden Bond-Auftritte, die Dalton 1987 und 1989 absolvierte. Sein 007 war humorlos und ausgebrannt – und erfasste so für manche Fans den Kern von Ian Flemings Figur. Freilich
kam dieser zeitgeistige Rambo-Bond nicht überall an; Daltons Abgang war also programmiert, wurde letztlich aber von ihm selbst initiiert: Nach Klärung eines langwierigen Rechtsstreits Mitte der
Neunziger verspürte er keine Lust mehr auf seinen vertraglich zugesicherten dritten 007-Auftritt. Stattdessen kehrte er auf die Bühne zurück, spielte im Fernsehen Rhett Buttler und Julius Cäsar
und tauchte zuletzt sogar wieder im Kino auf: etwa im Komödienhit «Hot Fuzz» oder im Johnny-Depp/Angelina-Jolie-Flop «The Tourist».
Pierce Brosnan: Der Gefragte
Dass Dalton im dritten Anlauf doch noch Bond wurde, lag daran, dass Pierce Brosnan wiederum in seinem Vertrag bei der TV-Serie «Remington Steele» feststeckte. Erst 1995 klappte es mit dem damals
42-jährigen Iren. Die acht Jahre nach Ablauf seines TV-Engagements und bis Dienstbeginn beim MI6 hatte er sich mit Fernsehfilmen und einigen Abstechern ins Kino vertrieben und dabei keine dicken
Stricke zerrissen. Umso spannender wurde es danach: Alleine in den zwei Jahren zwischen seinen beiden ersten Bond-Auftritten feierte er drei Kinoerfolge: in Barbra Streisands «The Mirror Has Two
Faces», Tim Burtons «Mars Attack!» und dem Actioner «Dante’s Peak». Noch vor seinem vierten und letzten 007-Film vor zehn Jahren verbuchte er weitere schöne Erfolge mit dem «Thomas Crown
Affair»-Remake und der John-le-Caré-Adaption «The Tailor of Panama». Und seit seinem Ausscheiden aus der Bond-Reihe muss er sich schon gar nicht um Angebote sorgen. Die Highlights: In «Mamma
Mia!» spielte er mit Meryl Streep, in «The Ghost Writer» unter Roman Polanski.
Daniel Craig: Der Ewige?
Kommt alles so wie vereinbart, dann wird der Blonde Roger Moore als den am längsten dienenden Bond ablösen: Ende 2011 unterzeichnete Craig einen Vertag für weitere fünf Filme, was sein Total also
auf acht 007-Auftritte klettern liesse. Dabei war kein Darsteller bei Dienstantritt so umstritten wie er. Und keiner war in seiner Bond-Zeit derart erfolgreich wie der 44-jährige Engländer.
Anders als bei Brosnan erfolgte bei ihm der Aufstieg zum Kinostar freilich schon vor der Bond-Zeit: Nach dem televisionären Sporenabverdienen in den Neunzigern ergatterte Craig zu Beginn des
letzten Jahrzehnts erste spannende Rollen, etwa im Thriller «Layer Cake», dem Truman-Capote-Film «Infamous» oder in Steven Spielbergs «Munich». Seit dem durchschlagenden Erfolg mit «Casino
Royale» im Jahr 2006 wirkte Craig gar in einem halben Dutzend Grossproduktionen mit. Als Journalist Mikael Blomkvist in «The Girl with the Dragon Tattoo» überzeugte er besonders – und als solcher
wird er wohl auch wiederkehren in den beiden von Hollywood noch unverfilmten Teilen von Stieg Larssons Millennium-Trilogie.