Grosses Kino von Robert Altman

Mit einer wundervollen Gesellschaftssatire meldet sich Regie-Altmeister Robert Altman eindrucksvoll zurück. In «Cookie’s Fortune» entführt er den Zuschauer in eine Kleinstadt im Süden der USA, welche Schauplatz eines nicht ganz alltäglichen Verbrechens ist.

Buena Vista

von Sandro Danilo Spadini

In Holly Springs geht alles noch ein wenig gemächlicher zu und her als anderswo. Die Wörter Stress und Trubel scheinen im Vokabular der Einwohner dieses Südstaatenkaffs nicht vorzukommen. Hier geht man viel lieber angeln und gönnt sich anschliessend noch einen Wild Turkey Bourbon in Theos Bluesbar. Umso heller ist die Aufregung, als sich die schrullige «Cookie» Orcutt (Patricia Neal) mit der Waffe ihres verstorbenen Ehemanns umbringt. Gottlob wird die Leiche von ihrer völlig überdrehten Nichte Camille (Glenn Close) und deren etwas einfältigen Schwester Cora (Julianne Moore) entdeckt. Für Camille ist Selbstmord nämlich etwas Schändliches, und in Sorge um den guten Ruf ihrer Familie richtet sie den Tatort so her, dass die Polizei auf Einbruch schliessen muss. Als ausgerechnet Cookie’s liebenswerter Nachbar Willis (Charles S. Dutton) unter Mordverdacht festgenommen wird, ist das Entsetzen gross, zumal niemand ernsthaft an seine Schuld glaubt. Seine engste Verbündete findet er in Coras Tochter Emma (Liv Tyler), welche sich aus Solidarität gleich auch einsperren lässt.

Hohe Erwartungen

Robert Altman («M*A*S*H*») gehört zu den letzten wahren Grössen unter Amerikas Regisseuren. Kaum ein anderer hat das Kino in den letzten dreissig Jahren so geprägt wie er. Dementsprechend hoch sind jeweils die Erwartungen an seine neuen Filme. Wie hoch der Anspruch ist, musste der mittlerweile 74jährige im vergangen Jahr schmerzhaft erfahren, als ihm mit «The Gingerbread Man» zwar die bis dato beste Verfilmung einer John-Grisham-Vorlage gelang, der Film von den Kritkern allerdings zerrissen wurde. Selbstredend war der stimmungsvolle Thriller nicht einmal halb so schlecht wie geschrieben wurde, doch bei einem Meister wie Altman liegt die Messlatte halt etwas höher. Für all jene, die ihn schon abschreiben wollten, liefert er mit der grandiosen Satire «Cookie’s Fortune» die passende Antwort.

Atmosphärische Dichte

«Cookie’s Fortune» ist der zweifellos beste Altman-Film seit «Short Cuts», was zu einem guten Teil auch an der furios aufspielenden Besetzung liegt. Jemanden herauszuheben wäre schlicht unfair, läuft doch das gesamte Starensemble geschlossen zu Höchstleistungen auf. Dies ist auch dringend notwendig, denn in Holly Springs ist jeder ein Original. Eine solch geballte Ansammlung von skurrilen Typen hat man seit David Lynchs Kultserie «Twin Peaks» nicht mehr gesehen. Überhaupt ist der Film umwerfend komisch, wirft aber zugleich auch einen kritischen Blick auf die Heuchelei der Kleinstadtbewohner. Unterstützt von einem wundervollen Soundtrack schafft Altman etwas, wozu nur ganz wenige Könner ihres Fachs in der Lage sind: Er erzeugt Atmosphäre. «Cookie’s Fortune» ist ganz grosses Kino und hierfür gebührt Mister Altman die allerhöchste Hochachtung.