Und sie sind tatsächlich noch da

Sag Ja zu dieser Fortsetzung: «T2 Trainspotting» mag eine Nostalgieübung sein. Cleaner, nüchterner, erwachsener als das 20 Jahre alte Original. Aber das ist perfekt so.

 

von Sandro Danilo Spadini

Es hat etwas gedauert. 20 Jahre sinds seit Teil eins, diesem definierenden Film der Neunziger. 15 Jahre seit dem Roman. Mal wollte Regisseur Danny Boyle noch nicht, dann wollte Star Ewan McGregor gar nicht. Boyle wollte warten, bis die Darsteller verlebter aussahen. McGregor wollte erst nicht mit Boyle und fand dann Irvine Welshs Vorlage zu mies. Boyle fand das auch und wollte sich nur lose an «Porno» halten, was McGregor wohl überzeugte und worauf man sich an die Arbeit machte, mit der alten Crew, samt und sonders oder wenigstens mit denen, deren Figuren noch am Leben waren, nicht dahingerafft vom Heroin, vielleicht nicht fit, vielleicht nicht fidel, vielleicht noch fertig, vielleicht noch verloren, aber eben: am Leben, trotzdem, immerhin. Und parat für «T2 Trainspotting».

Die offene Rechnung

20 Jahre später also in Edinburgh. Zum Vorspann gibts eine reduzierte Pianoversion von Lou Reeds «Perfect Day». Meditativ fast. Melancholisch jedenfalls. «Die neuen Helden» sind jetzt in den Vierzigern. Zeit für Besinnung. Aber auch eine besinnliche Zeit? Nun, Spud (Ewen Bremner) ist noch da, hat Frau und Sohn, haust im Sozialbau, geht zur Selbsthilfegruppe, hat auf dem Bau malocht, den Job aber verloren, weil er verpennte, und ist dann zurück zum Heroin: «meinem besten Freund». Sick Boy (Jonny Lee Miller) führt jetzt einen Pub, geht mit einer bulgarischen Prostituierten (Anjela Nedyalkova), verdient sich mit Erpressungen was dazu, lässt das Heroin sein und kokst nur noch ein wenig. Okay, er kokst viel. Die ganze Zeit. Andauernd. Ohne Pause. Begbie (Robert Carlyle) sitzt seit 20 Jahren ein, hat noch 5 Jahre vor sich und sogar der Queen sein Leid geschrieben, aber: «Sie hat nicht geantwortet.» So bricht er jetzt eben aus – zu einem interessanten Zeitpunkt. Denn aus Amsterdam ist soeben Renton (McGregor) eingetrudelt. Alle sagten, er schaue gut aus, meint er und erzählt, er habe mittlerweile geheiratet, zwei Kinder gezeugt, einen Buchhalterkurs besucht und «no drugs» genommen. Dann knallt ihm Sick Boy eins in die Fresse – es ist da halt noch diese Rechnung über 16'000 Pfund offen. Vor 20 Jahren, am Filmende damals, hatte Renton ja die Jungs verarscht und war mit dem Stutz aus dem Londoner Drogendeal abgehauen, schaffte so den Absprung, kratzte die Kurve, jumpte dem sicheren Drogentod von der Schippe. Das kompliziert nun den Neuanfang: Sick Boy will ihn «wieder reinziehen in die ganze Scheisse». Begbie will ihn einfach killen. Und übrigens: Renton ist in Scheidung, Kinder gibts keine, den Job hat er verloren, und die Gesundheit? Pah!

Was nun?

Man ahnt korrekt: Es wird hier viel Zeit darauf verwendet, die Vergangenheit zu bewältigen. Sie in Rückblenden aufs Original aufleben zu lassen. Ihrer zu gedenken mit längst aus der Mode gekommenen Regieticks. An sie zu gemahnen mit musikalischen Reminiszenzen. Und sogar eine «Sag Ja»-Rede gibt es wieder, aufdatiert und verzeitgeistigt, 9/11 und Facebook inklusive, runtergerattert in einem schnieken Schuppen in den Wolken. Zwischen Ghetto und Gentrifizierung wird regelrecht geschwelgt in den alten Zeiten. Die waren zwar weiss Gott nicht besser als die Gegenwart. Aber es gab damals noch eine Zukunft. Und was haben sie sonst auch ausser ihren Erinnerungen? Sie sind hässlich, ja. Schmerzlich. Grauslig. Aber es sind ihre. Und das Heute hält eh keine Heldengeschichten bereit, kaum Rock ’n’ Roll, kaum Exzess, kaum Rausch. Klar, da ist dieser Plot, wo man sich von der EU Kohle erschwindeln will, um einen Puff aufzutun. Aber nicht mal der Film interessiert sich sonderlich dafür. Dem geht es in all seinen krassen, komischen, melancholischen Momenten und mit den ganzen grandiosen Bildern, Liedern, Figuren eigentlich nur um die Frage: Was jetzt? Was tun mit diesem angebrochenen Leben? Wie seine Figuren ist auch er und mit ihm Danny Boyle als Regisseur erwachsener, nüchterner, cleaner geworden. Das mag man beklagen, fad finden, spiessig. Aber wärs nicht so, es wäre was verkehrt; es würde was nicht stimmen mit diesem Film, mit dem nun aber alles stimmt, der ein Wunderwerk wurde wie das Original, eine nahtlose, natürliche Fortsetzung, genau so, wie es sein soll. 20 Jahre sind nun mal eine lange Zeit. «Wir waren jung. Schlimme Dinge passierten», sagt Renton. Jetzt sind sie nicht mehr jung. Es passiert nicht mehr viel. Ein letztes Hurra vielleicht noch. Im Club mit den Jungen zu den 80s-Hits wüten. Dann noch mal was reinziehen. Aber man ist müde. Das High ist schal geworden. Das Coole ist verglüht. Der Trip ist zu Ende. Man hat Ja zum Leben gesagt.