Hilfe, die beste Freundin heiratet!

Vorsicht Lachkrampf: «Saturday Night Live»-Frau Kristen Wiig verantwortet mit «Bridesmaids» eine Brachialkomödie über den Wahnsinn amerikanischer Hochzeiten, eine Art «Hangover» mit Frauen.

 

von Sandro Danilo Spadini

Lässt Hollywood auf der Leinwand die Hochzeitsglocken läuten, so ist die Braut meist nur dies: eine wahlweise selig grinsende oder nervig quengelnde und stets fulminant verpackte Dekoration im viel spannenderen Leben eines Kerls. Dass die maskuline Optik derart dominiert und dem Femininen so oft verständnislos begegnet wird, liegt einfachstmöglich an der noch immer erdrückenden Männerdominanz in den Bereichen Regie und Drehbuch; die wenigen Frauen, die sich in diesen Etagen der Traumfabrik tummeln, machen es freilich auch nicht wirklich besser. Bis jetzt wenigstens, denn jetzt kommt Kristen Wiig, und diese Stammspielerin des televisionären «Saturday Night Live»-Teams hat eine Hochzeitskomödie geschrieben, die weder männerfixiert noch mädchenhaft ist. Auf bisweilen brachiale, aber alles andere als alberne Art zeigt sie den Wahnsinn und den Horror hinter der pompös-properen Fassade amerikanischer Hochzeiten – und schafft damit quasi eine «Hangover»-Version mit, aber mitnichten nur für Frauen.

Krieg der Brautjungfern

Ein Ritual nach dem anderen zerpflückt und zertrampelt Wiig in «Bridesmaids» – und sie tut das notabene höchstpersönlich, indem sie die Hauptrolle zur Chefinnensache erklärt. Im Zentrum des von TV-Mann Paul Feig («The Office») formal unerheblich inszenierten Gagfestivals steht indes nicht die Braut, sondern deren beste Freundin; denn im Zentrum steht hier nicht die Hochzeit, sondern das dazugehörige Vorbereitungsprogramm. Und verantwortlich dafür ist Annie (Wiig). Sie ist von Lillian (Wiigs «SNL»-Kollegin Maya Rudolph) zur «Maid of Honor» erkoren worden, also zur Anführerin der titelgebenden Brautjungfern. Und natürlich freut sie sich darüber und über das Glück von Lillian. Allerdings kommt das Ganze zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt – zumal Annie laut ihrer zwar vollkommen verrückten, in dieser Sache aber nicht ganz falsch liegenden Mutter (Jill Clayburgh) am Tiefpunkt angelangt ist: Die liebevoll aufgebaute Bäckerei ist eben erst pleitegegangen; beziehungstechnisch lief lange nichts ausser dem gelegentlichen Schäferstündchen mit einem absolut unmöglichen Schönling (Jon Hamm aus «Mad Men»); das Auto ist eine Rostlaube kurz vor dem Abserbeln; die Mitbewohner (zum Schreien: Matt Lucas und Rebel Wilson) sind eine komplette Zumutung; und für den aktuellen Job in einem Juweliergeschäft disqualifiziert sie sich regelmässig mit pessimistischen Ratschlägen an Verlobungswillige. Kurzum: In einer Situation wie dieser brauchte es ganz bestimmt keine Person wie Helen (Rose Byrne aus «Damages»). Helen ist «Miss Perfect», sündhaft reich, bildschön und hoch versiert in allem, was mit Hochzeiten zu tun hat. Und sie ist auf Kurs, Annie bei Lillian den Rang der besten Freundin abzulaufen. Selbstverständlich hasst Annie diese Helen leidenschaftlich – und das jeweils gleich noch etwas mehr, wenn die Sauberfrau berechnend und übertrumpfend wiedergutmacht, was Annie gerade verbockt hat. Und Annie verbockt bei diesen Hochzeitsvorbereitungen eigentlich so ziemlich alles.

Ein bisschen anarchisch

Ein Glück für Annie wie uns sind die übrigen «Bridesmaids»: die schwergewichtige Megan (Melissa McCarthy), die fatalistische Rita (Wendi McLendon-Covey) und die weltfremde Becca (Ellie Kemper). Vom Genre verlangt wird zudem die Anwesenheit eines für die Heldin reservierten Galans. Er heisst hier Nathan, ist ein australischer Streifenpolizist, wird gespielt von Chris O’Dowd aus «The IT Crowd», und sein Unterhaltungsfaktor hält sich in Grenzen. Weil Nathan auch da ist, kommt es tatsächlich zum Unvermeidlichen: dass im Schlussdrittel das Rührselige das Proseccoselige öfters übertüncht. Wohlgemerkt wird Wiig am Ende nicht doch noch zum staunenden Mädchen, das verzaubert zum Gebimmel der Hochzeitsglocken tänzelt; dafür ist sie dann zu sehr Vollblutkomikerin und schlicht zu klug. Das Thema der Frauenfreundschaft ist ihr aber wichtig, ebenso ihre Figur, die sie ohne grosses Seufzen Single sein lässt, bis der Richtige kommt. Zynisch und anarchisch will «Bridesmaids» entgegen ersten Vermutungen letztlich also nicht sein – oder höchstens ein kleines bisschen.