Citizen Cohn

 

Mehr als 30 Jahre nach seinem Tod ist Roy Cohn tatsächlich wieder viel zu präsent – ist der New Yorker Anwalt mit lausigem Leumund und katastrophalem Charakter quasi wiedergekehrt aus der wohlverdienten Hölle, um gerade auch in Film und Fernsehen wieder namenlosen Schrecken zu verbreiten. In der Doku «Where’s My Roy Cohn?» lassen sich die Tiraden und Tricksereien dieses in einer nachgerade atemberaubenden Absolultheit niederträchtigen, schlicht grundschlechten Gesellen ungefiltert im O-Ton erleben – seine perfiden Verhöre an der Seite des trunksüchtigen Kommunistenjägers Joseph McCarthy etwa oder seine hinterfotzigen Winkelzüge im Dienste von Kundschaft wie dem Mafioso John Gotti. In der dritten Staffel von «The Good Fight» derweil taucht diese Ikone der Erzkonservativen, dieser heimlich schwule Schwulenfeind, dieser latent antisemitische Jude, der seine Klienten und den verteufelten Staat immer wieder linkte, in den schwelgerischen Erzählungen und polternden Auftritten seines flamboyanten fiktiven Protegés und Alter Egos Roland Blum (Michael Sheen) prominent auf; eine Folge heisst sogar «The One Inspired by Roy Cohn». Das Fernsehen suchte Cohn freilich schon früher mehrfach heim: In Mike Nichols’ HBO-Miniserie «Angels in America» (2003), der Adaption des vielfach prämierten Theaterstücks von Tony Kushner, schlüpfte Al Pacino in die Rolle des an Aids sterbenden Cohn, der vor Selbsthass zerfressen seine Krankheit verleugnet und in seinen letzten Tagen vom Geist der von ihm auf den elektrischen Stuhl gebrachten mutmasslichen Sowjet-Spionin Ethel Rosenberg (Meryl Streep) besucht wird. Und wiederum elf Jahre davor war es James Woods, der im TV-Biopic «Citizen Cohn» einen Roy Cohn gab, dem es nachgerade diabolische Freude machte, Hass zu verbreiten und Existenzen zu ruinieren.

Inszeniert wurde «Citizen Cohn» mit Frank Pierson von einem Mann, der sich seine grössten Verdienste um die bewegten Bilder nicht so sehr auf dem Regiestuhl erwarb als vielmehr im Verfassen der Skripts zum Paul-Newman-Klassiker «Cool Hand Luke», zu Sidney Lumets «Dog Day Afternoon» oder zu Alan J. Pakulas «Presumed Innocent» sowie bis zu seinem Tod im Jahr 2012 als Produzent von «Mad Men». Und in der Tat: Man sieht es seinem Cohn-Biopic durchaus an, dass an ihm kein Regiegott verloren gegangen ist. Und man sieht es ihm ebenso an, dass das ein Werk für das finanziell und künstlerisch noch nicht derart potente Fernsehen der Neunzigerjahre war. Nichtsdestotrotz ist das eine sehr wohl erhellende Sache: ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte über einen Mann, der buchstäblich alles tut, um zu gewinnen, der schliesslich aber nicht nur seine Anwaltszulassung verliert, sondern auch ein gutes Stück seiner Würde und – wiewohl er bei der Therapie seiner HIV-Erkrankung eine unverdiente Vorzugsbehandlung auf Geheiss seines Kumpanen Ronald Reagan erfährt – viele seiner illustren Freunde. Und von leider aktueller Bedeutung ist dieser Film, in dem James Woods die vielleicht beste Leistung seiner Karriere zeigt, ohnehin allemal. Zumal der Geist von Roy Cohn in diesen himmeltraurigen Zeiten gerade die Welt terrorisiert und weitertobt in einem Monster, das es ohne ihn so kaum gäbe: seinem Ziehsohn Donald Trump, der das viele, was er über das Lügen und Betrügen weiss, zu einem grossen Teil von seinem früheren Anwalt und Freund gelernt hat. Trump ist gleichsam die ultimative Rache des Roy Cohn, ein letzter langer Stinkefinger an seine Feinde, sein lautestes «Fuck you» in die Welt hinaus. Machen wir uns also nichts vor: Roy Cohn hat am Ende doch gewonnen.