A Kiss Before Dying

 

Nein, Bud Corliss (Robert Wagner) ist nicht die Sorte von Bösewicht, mit der man mehr oder weniger heimlich mitfiebert. Denn dieser zwar durchaus charmante und sicherlich fesche, aber diabolisch skrupellose 25-Jährige, der noch immer am College rumlungert, ist ein waschechter Soziopath: Um den gesellschaftlichen Aufstieg zu schaffen und also an Reichtum zu gelangen, geht er buchstäblich über Leichen. Umso widerwärtiger ist Buds Verhalten, als sein erstes Opfer eine blütenweise Seele ist, die ihn bedingungslos und blindlings anhimmelt. Entsprechend viel Mitleid empfindet man mit der gutmütig gutgläubigen Dorothy Kingship (Joanne Woodward), einer Kommilitonin aus überaus wohlhabendem Hause, die von Bud ungewollt schwanger ist und nun den Bruch mit ihrem herrischen Vater fürchtet. Bud freilich gaukelt ihr vor, dass er Verantwortung übernehmen und sie ehelichen werde, wo er doch in Wahrheit mehrfach versucht, das ungeborene Kind zu töten, etwa indem er Dorothy eine Treppe hinunterstösst oder ihr giftige Mittelchen aufschwatzt. Als diese heimtückischen Versuche sonders fehlschlagen, entschliesst sich Bud, sein «Problem» an der Wurzel zu packen, und bringt Dorothy um.

«A Kiss Before Dying» (1957) beruht auf dem gleichnamigen Roman von Ira Levin, der es später mit spektakulär adaptierten Werken wie «Rosemary’s Baby», «The Stepford Wives» oder «The Boys from Brazil» gerade auch im Kino zu Weltruhm bringen sollte. 1991 gab es davon auch noch ein Remake mit Matt Dillon, doch das Original ist um Längen besser: ein visuell herausragender Film in Technicolor, der als Melodram im Stile von Douglas Sirk beginnt und dann in ein nervenaufreibendes Psychospiel mit deutlichem Noir-Einschlag mündet. Stimmungsvoll und mit Bedacht inszeniert wurde das vom Deutschen Gerd Oswald («Schachnovelle»), dem Sohn des Stummfilmregisseurs Richard Oswald, der hier ein eindrucksvolles Debüt ablegte. Eine mittlere Sensation war gar die Besetzung des auf «den netten Jungen» abonnierten Robert Wagner in der Rolle des seelenlosen Mörders und ein kleiner Skandal schliesslich das «ehelos schwangere» Mädel – ein Aspekt des Films, der in der Werbung tunlichst ausgespart werden musste.