Benzin im Blut, Schalk im Nacken

«Ford v Ferrari» ist ein durch und durch klassischer Sportfilm: eine famose Sache gerade auch dank der extrem charismatischen Stars Matt Damon und Christian Bale, aber halt nicht allzu überraschungsreich.

The Walt Disney Company

von Sandro Danilo Spadini

Hier ein frecher Gedanke: Lewis Hamilton könnte noch weitere sechs Mal die Formel-1-WM gewinnen, und trotzdem wird niemand je einen Film über ihn drehen. In seiner Welt mag diese Ikone Unfassbares für die Ewigkeit geleistet haben; doch das Kino ist nicht der Ort für störungssichere Siegesmaschinen und sterile Perfektion, es braucht Scheitern und Helden mit Brüchen – Teufelskerle wie Ayrton Senna («Senna»), James Hunt und Niki Lauda («Rush») oder Ken Miles. Jawohl, Ken Miles. Das war ein britischer Rennfahrer, der in den Sechzigern Sportgeschichte schrieb, als er... Aber sehen Sie selbst. Und zwar in James Mangolds «Ford v Ferrari». Es lohnt sich. Wegen Christian Bale, der in der Rolle des britischen Tempojunkies und Temperamentsbolzens für einmal in seinem natürlichen Dialekt parlieren darf. Wegen Matt Damon, der den Ex-Rennfahrer und Konstrukteur Carroll Shelby gibt und einen Höllenspass hat, mit Cowboyhut und dickem Akzent texanische Männlichkeit zu verströmen. Und weil James Mangold («Walk the Line») einfach ein wahnsinnig kompetenter Regisseur ist, der als Wandler zwischen den Genres seit über zwei Jahrzehnten mit gleichsam hamiltonscher Zuverlässigkeit überdurchschnittliche Kinoware abliefert.

Spinner vs. Bürokraten

Bei «Ford v Ferrari» legt Mangold freilich einen Stotterstart hin. Sprich: Der Film braucht einen Moment, bis er in die Gänge kommt. Im Warm-up also treffen wir auf zwei Männer im Krisenmodus. Miles ist in seiner Garage zwar happy und spassig drauf; doch er ist pleite. Und Shelby hat seine Karriere nach dem Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans anno 1959 längst aufgeben müssen und verdingt sich als Autoverkäufer. Als Segen für sie erweist sich, dass es auch der Ford Motor Company gerade nicht so gut geht. Ihre Autos sind zu fad für die Jungen, wie Lee Iacocca (Jon Bernthal), die nachmalige Managerlegende, meint. Es sei Zeit, dass Ford ins Renngeschäft einsteige. Doch als Iacocca in Modena bei Enzo Ferrari (Remo Girone) mit einem Fusionsangebot vorstellig wird, teilt ihm der Patron mit, er sei als Konstrukteur, als Mann und als Italiener beleidigt und sie sollten zu den übrigen arroganten Hurensöhnen heimgehen in ihre hässliche kleine Fabrik. Und jetzt kanns losgehen, jetzt können die Motoren aufheulen. Denn jetzt ist Henry Ford II. (Tracy Letts) fuchsig und will selbst einen Super-Boliden bauen, «das schnellste Auto der Welt», das Ferrari in Le Mans schlägt. Shelby soll das Unmögliche vollbringen, mit Miles als Mann fürs Cockpit. Der Blankoscheck, den die sprücheklopfenden Spinner ausgestellt bekommen, ist indes keine Carte blanche gegenüber der Bürokratie bei Ford. Deren Gesicht ist der geschniegelte Vizepräsident Leo Beebe (Josh Lucas), dem vor allem Miles ein Dorn im Auge ist. Der sei ein Beatnik, Ford aber stehe für Verlässlichkeit. Und Beebe, so darf man assoziieren, steht für all die aseptischen Technokraten, die sich in diesem Sport durchgesetzt haben.

Am Ende gross

Hier werden die Beebes sich natürlich nicht durchsetzen. Das wäre ja uncineastisch, und wenn «Ford v Ferrari» etwas ist, dann durch und durch klassisches Sportkino. Und ja, das heisst auch, dass es hier reichlich Stereotypen und kaum Überraschungen gibt. Zudem hat der Film ein Grundproblem: Die Sympathien sind ihm beim titelgebenden Duell nicht eben dienlich verteilt, wenn dem mondänen Traditionshaus Konkurrenz erwächst durch die plumpen Parvenus mit der fetten Börse. Mangold löst dieses Dilemma auf, indem er das weniger als Triumph von Ford gegen Ferrari darstellt als von Miles und Shelby gegen Ford. Und indem er seinen Film nicht so sehr als Drama à la «Rush» konzipiert und Pathos mit Humor löscht. Obwohl ein lupenreiner Männerfilm, ist «Ford v Ferrari» keine Testosteron-Bombe. Hier wird auch ausschweifend, bis zum Abdriften in die Autotechnik-Pornografie fachgesimpelt. Die Rennszenen sind klasse, aber nicht atemberaubend. Und allgemein ist das Tempo eher im Innerortsbereich; gerne wird auch mal gebummelt, bei Frau Miles (die einzige Frau: Caitriona Balfe) verweilt und in freundlichen Sixties-Farben der frivolen Stimmung gefrönt, die damals den Rennsport-Zirkus (ja, Zirkus!) beseelt hat. Alles ziemlich beschwingt, etwas romantisierend und glorifizierend vielleicht, aber und wenn schon. Es hilft natürlich auch, dass es Bale und Damon dermassen gut miteinander können (wiewohl es recht knackig gewesen wäre, die einst eingeplanten Tom Cruise und Brad Pitt in diesen Parts zu sehen). Und wenn wir nach zwei Stunden endlich in Le Mans beim «zermürbendsten Autorennen der Welt» ankommen, dann ist das auch grosses Kino. Magisches sogar.