Running on Empty

 

An seine grossen Erfolge aus den Siebzigern – von «Serpico» über «Dog Day Afternoon» bis «Network» – vermochte Regisseur Sidney Lumet im Folgejahrzehnt zwar nicht ganz nahtlos anzuschliessen. Gleichwohl finden sich in der Filmografie des «Meisters des Justizfilms» aber auch da noch manche Perlen. Deren funkelndste ist neben dem Paul-Newman-Vehikel «The Verdict» wohl das politisch hintergründige Familiendrama «Running on Empty», das Drehbuchautorin Naomi Forer und Nebendarsteller River Phoenix eine verdiente Oscar-Nominierung einbrachte. Mit viel Sinn für moralische Dilemmas, kluger Intuition für menschliche Schwächen und einem feinen Gehör für Zwischentöne erzählt Lumet darin die turbulent-schicksalsbehaftete Geschichte der vierköpfigen Familie Pope, die sich redlich müht, ein amerikanisches Durchschnittsleben zu führen, aber immer wieder von der Vergangenheit eingeholt wird.

Die Eltern, Annie (Christine Lahti) und Arthur (Judd Hirsch), waren in den Siebzigern in einer politischen Untergrundorganisation aktiv und machten sich zu Staatsfeinden, als sie aus Protest gegen den Vietnam-Krieg ein Napalmlabor in die Luft sprengten und dabei einen Hausmeister schwer verletzten. Seither sind sie mit immer wieder wechselnden Identitäten untergetaucht oder dann wieder, wenn die Gesetzhüter ihnen auf die Pelle gerückt sind, auf der Flucht. Im Grossen und Ganzen ging das bisher so weit alles gut, doch nun ist ihr älterer Sohn Danny (Phoenix) zum Teenager herangewachsen und also in einem Alter, wo er sich Gedanken über das Jetzt hinaus macht. So werden am aktuellen temporären Wohnsitz der Familie im Staat New York nicht nur Dannys Ambitionen für eine Karriere als Pianist, sondern auch Gefühle für die flippige Lorna (Martha Plimpton) geweckt, die Tochter seines ihn zwar tatkräftig fördernden, aber auch etwas gar forsch in der Vergangenheit rumstochernden Lehrers (Ed Crowley). Als die Situation allmählich wieder brenzlig wird und der nächste abrupte Umzug sich anbahnt, kommt es in der Familie zum Clinch und zum Clash der Generationen, im Zuge dessen sich die Popes den grossen Daseinsfragen und Lebenslügen stellen müssen. Wie Lumet das mit mehr Fokus aufs Persönliche als aufs Politische abhandelt, war für den Jahrhundertkritiker Roger Ebert so gut, dass er «Running on Empty» zu einem «der besten Filme des Jahres» adelte. Für die «L.A. Times» war es «raffiniert, kompromisslos und erfrischend originell», für «Newsweek» nichts weniger als «emotional überwältigend». Und worin sich praktisch alle einig waren: dass das nicht nur, aber gerade auch von River Phoenix, um den die Geschichte letztendlich kreist, einfach verdammt gut gespielt ist.