Bis das letzte Licht erloschen ist

Mit dem Thrillerdrama «Out of the Furnace» legt «Crazy Heart»-Regisseur Scott Cooper einen sehenswerten Zweitling vor, der freilich mehr von der Stimmung als der Spannung lebt.

 

von Sandro Danilo Spadini

Noch rauchen vereinzelt die Schornsteine und fahren die Güterzüge aus der Stadt. Doch der Strukturwandel hat den «Rust Belt» ins Mark getroffen. Schliesslich sind es die Jobs, die nicht wiederkommen, die in der ehedem grössten US-Industrieregion im Nordosten des Landes verschwunden sind. Die Leute hier kennen denn im Grunde auch nur Krise. Und so tuckern sie scheinbar ziellos in ihren Pick-ups und Pontiacs an den rostigen und abgeblätterten Fassaden einer sterbenden Welt vorbei. Wissen nicht, wie es weitergehen soll. Glauben nicht, dass sich etwas ändern wird. Nehmen es nur mit einem Schulterzucken zur Kenntnis, wenn Ted Kennedy am TV zu Barack Obamas Wahl zum Präsidenten aufruft. Das Leben ist hier sicher noch härter als anderswo, und gleichwohl lacht der Fabrikarbeiter Russell Baze (Christian Bale) zu Beginn des Thrillerdramas «Out of the Furnace» beinahe unentwegt. Wir lernen ihn da als ausgesprochenen Familienmenschen kennen, der den unsteten Bruder (Casey Affleck) foppt, mit der grazilen Freundin (Zoe Saldana) tollt, den sterbenskranken Vater (Bingo O’Malley) küsst und mit dem besonnenen Onkel (Sam Shepard) scherzt. Er ist selbst dann noch recht guter Dinge, als er im Gefängnis sitzt, nachdem er einen Jungen totgefahren hat. Als er jedoch wieder draussen ist, muss er erkennen, dass der «Change» ausgeblieben ist – dass sich die Dinge höchstens zum Schlechten verändert haben: Der Vater ist tot, die Freundin ist weg, und Rodney, der Bruder, steckt in gröberen Schwierigkeiten.

Der Irre in den Bergen

Es scheint schlimm genug, dass Rodney einem schmierig ausschauenden Barbesitzer, der von Willem Dafoe gespielt wird, einen Haufen Geld schuldet. Doch der erweist sich bald als geringeres Problem und schliesslich gar als so etwas wie ein Freund, der ihn inständig davor warnt, sich ins Verderben zu stürzen. Dieses hockt in den Bergen von New Jersey, wo «diese Inzüchtler» ihre eigenen Gesetze aufgestellt haben und sich nicht mal die Polizei hin traut. «Das ist eine ganz andere Welt da oben», wird später der Sheriff (Forest Whitaker) sagen. Und deren Herrscher ist jener verdrogte Sadist, dem der Prolog des Films gehört hat: Harlan DeGroat hat da im Autokino seiner Begleitung ein Hotdog-Würstchen in den Rachen gestopft und einen Fremden halb tot geprügelt; und wir haben schnell erkannt, dass von all den Mistkerlen, die Woody Harelson in seiner Karriere gespielt hat, dies einer der übleren sein muss. Mit ihm ausgerechnet lässt sich Rodney also ein. Einen anderen Weg sieht der Verzweifelte nicht. In der Fabrik wie der Bruder würde er jedenfalls nie arbeiten. Denn die hat seinen Vater umgebracht. Und nach vier Touren im Irak haut ihn ohnehin nichts mehr um. Schon gar nicht diese illegalen Strassen-Boxkämpfe, wo sie einander mit baren Fäusten zu Brei schlagen und Leute wie Harlan mit getürkten Wetten reich werden wollen.

Kunstvoll bebildert

Dass das für Rodney ziemlich sicher böse enden und Russell alsdann zur Rachejagd blasen wird, das mahnt Regisseur Scott Cooper mit einem Symbolismus der aufdringlicheren Sorte an. Bedurft hätte es solcherlei freilich nicht, setzt Cooper in seinem Zweitling doch ohnehin mehr auf eine Unheil signalisierende Stimmung als auf Spannung. Und er tut das in der Manier eines alten Meisters und zieht einen rein in dieses hässliche Amerika, wo die Depression mit Händen zu greifen ist und auch das letzte Licht sicher bald erloschen sein wird. Wenn er darin die Handlung, für die er wiederum als Co-Autor zeichnet, hätte geschmeidiger einzubetten vermögen – «Out of the Furnace» wäre ein grosser Wurf geworden. Doch wie das Gesellenstück «Crazy Heart» ruckelt auch seine verhinderte Meisterarbeit noch zu oft, ist der Fokus verrückt, der Rhythmus gestört. Die Einzelteile weiss er zwar zu fertigen, dieser Schauspieler-Regisseur, der nach Jeff Bridges nun auch Bale und Harelson zu Paradeform dirigiert; beim Zusammenfügen hapert es indes noch. Entsprechend hat sein unvermindert sehenswerter Film auch eher Bilder, an die man sich erinnern wird, als solche Szenen. Und gleichwohl ist das weit mehr als Stückwerk. Viel ist es nämlich nicht mehr, was Scott Cooper fehlt, um da anzugelangen, wo er so augenscheinlich hin will.