Im hohen Norden wird zur Jagd geblasen

Happige Krimikost aus Norwegen: Die Jo-Nesbø-Verfilmung «Headhunters» ist urchig und ulkig und bietet 100 Minuten beste Unterhaltung auf Hollywood-Niveau.

 

von Sandro Danilo Spadini

Harry Hole, der trunksüchtige Held aller anderen Krimis des norwegischen Bestsellerautors Jo Nesbø, kommt hier zwar nicht vor. Eine interessante Hauptfigur hat der 2008 als Buch erschienene und nun actionreich fürs Kino verfilmte Thriller «Headhunters» gleichwohl. Als Roger Brown (Aksel Hennie) stellt sich dieser aus dem Off heraus vor – und schlägt sogleich selbstkritische Töne an: 1,68 Meter gross sei er, und man brauche jetzt kein Psychologe zu sein, um zu verstehen, dass er das kompensieren müsse. Wie er das tut, das zeigt uns dieser Herr Brown dann noch so gerne: nettes Haus, dickes Auto, grosse Blondinengattin, adrettes Brünettenliebchen – der Rotschopf um die vierzig ist wohl einer, der es geschafft hat in dieser statusbewussten Welt. Freilich kostet das alles dann doch etwas mehr, als Roger an Salär und Bonus üblicherweise so einsackt. Und deshalb ist dieser Headhunter dann halt obendrein als Kunstdieb unterwegs und jagt nebst klugen Köpfen auch noch deren schöne Schätze.

Das Blatt wendet sich

Seinen blonden Schatz Diana (Synnøve Macody Lund) wiederum möchte ihm ein fescher Bengel namens Clas (Nikolaj Coster-Waldau) abjagen, der David Beckham nicht unähnlich sieht, aber ein markant härterer Typ ist als der. Doch Roger hat – scheinbar – alles im Griff: Zum einen kann er den früheren Armee-Haudegen mit einem lukrativen Job-Angebot ködern, um ihn dann am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen; zum anderen wird er ihm demnächst einen echten Rubens stibitzen, der «vielleicht Dutzende Millionen» wert ist. Und Roger tut denn auch das eine wie das andere. Was er dabei aber trotzdem nicht hat: irgendetwas im Griff. Spätestens wenn er seinen doofen Komplizen Ove (Eivind Sander) regungslos bei sich in der Garage vorfindet, entfährt ihm sein erstes «Nanu?». Und es wird nicht seine letzte solche Ungläubigkeitsbekundung sein. Denn längst hat sich das Blatt gewendet, ist aus dem Jäger der Gejagte geworden, dreht sich eine Spirale der Gewalt. Dass nicht mehr alles so aalglatt läuft, manifestiert sich nur schon an der Inszenierung, die Regisseur Morten Tyldum inzwischen merklich verdunkelt hat. Hatte sich sein Film erst noch flott und beschwingt und so gewitzt wie seine Hauptfigur gegeben, so dräut und dröhnt es nun bisweilen auch gewaltig auf der Tonspur mit ihrem Hans-Zimmer-Gedenk-Soundtrack. Man sieht es und hört es: Es geht jetzt um Kopf und Kragen für unseren Herrn Brown. Und höllisch aufpassen sollte der, dass ihm die Sache nicht über Ersteren wächst und Widersacher Clas Letzterer nicht platzt – und dass es ihm nicht so ergeht wie Jerry Lundegaard aus «Fargo», dem vielleicht berühmtesten tapsigen Hobbykriminellen der Filmgeschichte. Wenn sich das Geschehen von der Stadt aufs Land verlagert, fragt sich also, ob Roger aus dem richtigen Holz geschnitzt ist, um es mit Ex-Soldat Clas und dessen hässlichem Kläffer aufzunehmen – oder ob er wie einst Jerry in den Abgrund taumelt.

Gerne mehr davon

Mit Joel und Ethan Coens «Fargo» hat «Headhunters» nicht nur die nordischen Namen und die Kalamitäten seines Helden gemein, sondern auch das Urchige und das Ulkige. Mitunter freilich sind die Ruppigkeiten gar eklig und die Skurrilitäten einigermassen kontraproduktiv, weil atmosphärisch entdichtend. Als De-luxe-Tiefkühl-Thriller im Stile der Stieg-Larsson-Verfilmungen geht «Headhunters» entsprechend nicht durch. Die fürs TV produzierten Håkan-Nesser- oder Henning-Mankell-Adaptionen lässt der in bereits über 50 Länder verkaufte Norwegerexport indes locker hinter sich. In Aufmachung und Aufbereitung ist das nämlich durch und durch Hollywood – und zwar: gutes Hollywood mit einer herben Note und einer Prise Erotik. Die Inszenierung von «Varg Veum»-Regisseur Tyldum ist gewiss nicht sensationell, sondern mehr konventionell, aber jedenfalls professionell; das Skript hält über die 100 Minuten alles im Fluss und meistert auch die Tempowechsel gegen Schluss; und an den Mimen gibts nur wenig zu mäkeln. Kurzum: Der Schrei nach einem Hollywood-Remake mag hier weniger schrill sein als bei der skandinavischen Krimischwester «Verblendung». Aber weitere Jo-Nesbø-Filme dieser Art? Bitte gerne.