von Sandro Danilo Spadini
«Hotel Rwanda», «The Constant Gardener», «Lord of War», «Blood Diamond» und nun «The Last King of Scotland» – die jüngste Häufung westlicher Grossproduktionen, die sich mit den Problemen Afrikas befassen, ist wenn
vielleicht noch nicht signifikant, so doch wenigstens augenfällig. Thematisch wie geografisch eröffnen die erwähnten Werke zwar ein weites Spektrum – sie handeln von einem blutigen Bürgerkrieg,
der Pharma-, Waffen- und Diamantenindustrie sowie einem wild gewordenen Diktator und spielen in Ruanda, Kenia, Liberia, Sierra Leone und Uganda. Gemein ist ihnen indes der gleichsam
kommentatorisch wirkende, die Position der Filmemacher einnehmende Blick von aussen durch die staunenden Augen des weissen Westlers, der teils als Haupt-, teils als Nebenhandlungsträger in
Erscheinung tritt, dabei dankenswerterweise jedoch nicht zwingend als moralische Instanz wirkt.
Höchste Schauspielkunst
Wie etwa in «The Constant Gardener» ist in «The Last King of Scotland» diese Rolle des Aussenstehenden in der Person des jungen schottischen Arztes Nicholas Garrigan (James McAvoy) äusserst
prominent platziert; ja es ist dies recht eigentlich sogar der Hauptpart, wiewohl Garrigan hier natürlich nicht das titelgebende Untersuchungssubjekt ist. Dieses heisst Idi Amin und hat in seiner
fiktionalisierten Form dem langjährigen Hollywood-Ergänzungsspieler Forest Whitaker die Oscar-gekrönte Rolle seines Lebens geboten. Dessen Darstellung des 2003 im Exil verstorbenen ugandischen
Ex-Diktators, der während seiner achtjährigen Gewaltherrschaft (1971 bis 1979) gegen 500'000 Menschen in den Tod schickte, darf denn auch als eine der herausragendsten mimischen Leistungen dieses
Jahrzehnts bezeichnet werden. So fängt der 100-Kilo-Koloss mit dem gutmütigen Gesicht und den hängenden Augenlidern geradezu beängstigend präzise die unterschiedlichen Facetten dieses monströsen
Riesenbabys ein – seine Brutalität, seine Kindlichkeit, sein Charisma etwa. Er macht dies letztlich gar so gut und mit solch hoher Intensität, dass man beinahe vergisst, dass er spielt. Und das
ist im Grunde das Höchste, was Schauspielkunst erreichen kann.
Zwiespältiger Eindruck
Kaum zu beneiden war demgegenüber der junge James McAvoy, der in einer seiner ersten grösseren Kinorollen im gewaltigen Schatten eines derart formstarken Ausnahmekönners zu bestehen hatte. Umso
grösseren Respekt nötigt daher auch die Performance des demnächst des Öfteren zu sehenden schottischen Himmelstürmers ab. Mit unverbrauchtem Ansatz und gerade recht dosiertem Tatendurst vermag er
von Beginn an ein auch von Whitaker nicht streitig zu machendes Interesse für seine – fiktive – Figur zu wecken. Sein Dr. Garrigan, den Schottland-Fan Amin zuvörderst seiner Herkunft wegen als
Leibarzt und persönlichen politischen Berater engagiert, ist der Prototyp des unschuldig-übermütigen Auslandsreisenden, der jugendlich dumm und sexuell aufgeladen das Abenteuer sucht und die
Hölle findet. Gefangen darin, begeht der lausbübische Springinsfeld einen Fehler nach dem anderen und muss mit ansehen, wie sich sein vormaliges Idol, der vermeintliche Befreier Ugandas, zum
barbarischen Massenmörder aufschwingt, der bald auch ihn selbst auf der Abschussliste hat. So vertraut derlei als Ganzes in den Ohren des passionierten Cineasten auch klingen mag, so
nervenzehrend ist das in den besten Momenten im Detail freilich ausgestaltet. Doch derweil die vom Debütroman des «Guardian»-Journalisten Giles Foden hergeleitete Geschichte um Verrat und
Vertrauen mitunter in shakespearsche Dimensionen vorstösst, ist die tempobewusste und thrillerhafte Regie des bisherigen Dok-Filmers Kevin Macdonald («One Day in September») bisweilen blutleer
und letztlich konventionell geraten. Aufgrund des recht unsauberen Schlusses bleibt zudem nicht nur inszenatorisch, sondern auch interpretatorisch ein leicht zwiespältiger Eindruck zurück. Und
wäre da nicht Whitakers Wahnsinnsporträt einer historischen Figur, müsste man sich fragen, ob «The Last King of Scotland» überhaupt etwas von Belang zu sagen hat.