Alter Hase und junger Fuchs

Test bestanden: In Roger Donaldsons neuem Thriller «The Recruit» überzeugt Newcomer Colin Farrell auch an der Seite der Leinwandikone Al Pacino als schlauer CIA-Neueinsteiger.

 

von Sandro Danilo Spadini

Für Oliver Stone soll er in dessen monumentalem nächstem Projekt Alexander den Grossen spielen, Steven Spielberg besetzte ihn neben Tom Cruise in «Minority Report», Joel Schumacher verzichtete für den Thriller «Phone Booth» zu seinen Gunsten auf Jim Carrey und drehte mit ihm gleich auch noch seinen neusten Film «Veronica Guerin», und schliesslich ist er trotz seiner Jugend immer wieder als Nachfolger seines Landsmanns Pierce Brosnan für die Bond-Rolle im Gespräch. Die Rede ist von Colin Farrell, dem derzeit heissesten Newcomer Hollywoods. Ein erstes Ausrufezeichen setzte der Sohn eines ehemaligen irischen 1.-Liga-Fussballers vor nicht einmal drei Jahren ebenfalls unter der Regie von Joel Schumacher in «Tigerland», dem vielleicht besten Anti-Kriegs-Film seit Stanley Kubricks «Full Metal Jacket. Fortan ging es für Farrell nur noch bergauf. Alle rissen sich um den trinkfesten Iren, und die meisten scheinen ihn angesichts seiner bereits recht umfangreichen Filmografie auch bekommen zu haben.

Test bestanden

Roger Donaldson hatte ebenfalls Glück. In seinem Thriller «The Recruit» spielt Farrell an der Seite von Al Pacino und stellt sich damit – eingedenk der schmerzlichen Erfahrung von so manchem Jungstar, der im überlebensgrossen Schatten des kleinen Italo-Amerikaners untergegangen ist – der wohl grössten Herausforderung seiner bisherigen Karriere. Zwar stand der 27-Jährige bereits mit grossen Namen wie Tom Cruise, Bruce Willis (im Kriegsdrama «Hart’s War») und Ben Affleck (in der Comic-Verfilmung «Daredevil») vor der Kamera, doch sind diese im Vergleich mit einem Leinwandgott wie Pacino allesamt schauspielerische Fliegengewichte, denen Paroli zu bieten nicht ganz so schwer fällt. Dass Farrell eher zu den Schwergewichten zu rechnen ist und mehr zu bieten hat als seinen gut gebauten Körper, hat er bereits zuvor angedeutet. In «The Recruit» besteht er nun auch den «Pacino-Test» mit Bravour und liefert so eine weitere Erklärung für seine ungeheure Popularität bei Hollywoods Top-Regisseuren.

Durchaus unterhaltsam und sehenswert

Im Zentrum der Geschichte steht der blitzgescheite Computertüftler James Clayton (Farrell), der vom alten CIA-Haudegen Walter Burke (Pacino) für den geheimen Staatsdienst rekrutiert wird. Für James ist die Agency zunächst einmal «ein Haufen von fetten, alten weissen Typen, die eingeschlafen sind, als wir sie am meisten gebraucht hätten». Gleichwohl verfällt er Burkes eigenwilligem Charme und lässt sich dazu überreden, das sowohl in physischer wie psychischer Hinsicht einem alles abverlangende Trainigsprogramm für Agenten in spe zu durchlaufen. «Nichts ist, wie es scheint», ruft Burke James, dessen mysteriösem «love interest» Layla (Bridget Moynahan – ebenfalls ein Name, den man sich merken sollte) und den übrigen Trainingsteilnehmern immer wieder ins Gedächtnis. «Nichts ist, wie es scheint» – dieser Satz fällt in «The Recruit» des Öfteren und wird ähnlich wie in David Finchers «The Game» zum Motto des Films. Ein «twist» jagt den nächsten, ein ums andere Mal lassen Donaldson bzw. Burke das Publikum bzw. James ins Leere laufen. Das ist grösstenteils gut, stellenweise sogar sehr gut gemacht. Donaldson, der sich zuletzt im intelligenten Drama «Thirteen Days» der Kuba-Krise angenommen hat, beweist sich mit seinem neusten Streich erneut als solider Handwerker, der es versteht, ganz ordentlich zu unterhalten. Grösstenteils geschickt und selten plump strickt er weiter am Mythos der sagenumwobenen CIA. Markige Sätze (Burke: «Ich habe keine Antworten, ich habe nur Geheimnisse») und die recht stringente Atmosphäre entschädigen für manche Schwäche wie die etwas gar einfach gestrickte und letztlich ziemlich überflüssige Liebesgeschichte, wo aber wenigsten die Chemie zwischen den Hauptakteuren Farrell und Moynahan stimmt, oder die nicht allzu logische Schlusspointe, wo der Bogen dann doch ein bisschen überspannt wird. Das Duo Farrell/Pacino schliesslich treibt sich zu gegenseitigen Höchstleistungen und macht «The Recruit» so zu einem unterhaltsamen und durchaus sehenswerten (Schau-)Spiel um Sein und Schein.