Ein Tunichtgut hebt mit Viagra ab

Edward Zwicks «Love and Other Drugs» ist Krankheitsdrama, Romanze, Brachialkomödie und Satire auf die Pharmaindustrie zugleich – kein allzu bekömmlicher Cocktail.

 

von Sandro Danilo Spadini

Mit Filmgenres verhält es sich wie mit Medikamenten: Mixt man zu viele zusammen, kommt das selten gut. Und patzt man dann noch bei der Dosierung, entsteht sowieso ein Cocktail mit unerwünschten Nebenwirkungen. Das liesse sich auch der Packungsbeilage zum Regiezepter entnehmen; umso erstaunlicher, dass ein gestandener Filmemacher wie Edward Zwick («Blood Diamond») bei seinem neuen Streifen «Love and Other Drugs» nichts davon befolgt. Gleich vier Genres hat er hier nämlich vermengt: Krankheitsdrama, Romanze, Komödie, Satire. Und die Dosierung der Komponenten könnte kaum ungünstiger sein: Die Romantik ist überzuckert, der Humor abgeschmackt, das Satirische halbgar. Einzig das Drama-Element überzeugt. Und das vor allem dank Hauptdarstellerin Anne Hathaway.

Kotzbrocken allenthalben

Dabei versucht Zwick hier etwas Löbliches: Mit dem verschärften Ton und den zusätzlichen Zutaten möchte er das Korsett sprengen, das so vielen Romantikkomödien keine Luft zum Atmen lässt. Abgeschnürt wird dann aber vornehmlich der Atem des Publikums, wenn Zwick sein fast samt und sonders sagenhaft unsympathisches Personal aufmarschieren lässt. Die extrem hohe Kotzbrocken-Dichte, so wird suggeriert, hat freilich mit dem Zeitgeist zu tun, der hier heraufbeschwört wird. So führt uns die auf dem Bestseller «Hard Sell: The Evolution of a Viagra Salesman» beruhende Story zurück in die zweite Hälfte der Neunziger. Die Wirtschaft brummt, die Zukunftsängste schlummern, es herrscht Goldgräberstimmung. Und alle wollen an der Party teilnehmen, sind geil auf das schnelle Geld und den noch schnelleren Sex. Munter wird gelogen und betrogen – und alle haben ihren Spass dran, selbst die Belogenen und Betrogenen. Mittendrin im totalen Ausverkauf unser Protagonist: der auf Abwegen tänzelnde Aufriss-Weltmeister Jamie (Jake Gyllenhaal). Mit dem schnellen Sex klappt es bei ihm seit je; für das schnelle Geld indes muss er sich in seinem neuen Job als Pharmazievertreter ein wenig anstrengen, wiewohl er das alte Lug-und-Trug-Spiel schon prima beherrscht. Auch Jamie also ist nicht gerade der ultimative Sympathler, doch bittet Zwick um Nachsicht für ihn, indem er uns in seinen Werdegang spähen lässt: Als aufmerksamkeitsdefizitäres Wunderkind in eine Medizinerfamilie geboren und schon mit acht auf Ritalin gesetzt, hatte Jamie gewiss keine einfache Jugend. Niedergeschlagen hat sich das beruflich in Form eines abgebrochenen Medizinstudiums und privat mit einer unerschütterlichen Laissez-faire-Haltung. In beiden Bereichen freilich stehen für Jamie grosse Veränderungen an. Als er die zum Zynismus neigende Parkinson-Patientin Maggie (Hathaway) trifft, wird es ihm erstmals so richtig wohl ums Herz. Und als Viagra auf dem Markt kommt, klingelt es endlich auch in seiner Vertreterkasse.

Fast genug Qualitäten

Dass sich Jamies Leben derart drastisch ändert, müsste einen eigentlich kümmern, tut es aber nur bedingt. Denn was ist hier der Punkt? Dass Jamie sein Karriereziel erreicht? Dass sein Bruder (schweinisch: Josh Gad) an der Börse abcasht? Dass sein Doktorfreund (schnöde: Hank Azaria) die nächste Tussi abschleppt? Dass sein Mentor (schmierig: Oliver Platt) eine Gehaltserhöhung kriegt? Dass sein Konkurrent (schurkisch: Gabriel Macht) übertrumpft wird? Menschen sind hier nichts als Ware: Man will sie entweder ausnehmen, mit Drogen vollstopfen oder schlicht vernaschen – Zynismus total! Und wenn die Affäre mit Maggie ernst wird und es doch noch anfängt zu menscheln, ist es schon sehr spät. Dabei hätte dieser Film fast genug Qualitäten, um interessant zu sein: Inszeniert ist er flott und flüssig; die wiedervereinten «Brokeback Mountain»-Stars Gyllenhaal und Hathaway geben vollen (Körper-)Einsatz und können es gut miteinander; und die Pharma-Thematik ist grundsätzlich spannend. Gut und gerne hätte «Love and Other Drugs» das werden können, was die Tabakindustrie-Satire «Thank You for Smoking» war: eine gewitzte Geschichte über einen moralisch allzu flexiblen und viel zu charmanten Kerl, die gleichzeitig ans Herz geht und Einblick in ein zweifelhaftes Gewerbe gibt. Aber leider verursacht dieser schlecht dosierte Genre-Cocktail nebst Brechreiz vor allem Apathie.