Von Sandro Danilo Spadini
Ob Brettspiel oder Sammelkarten; Songtext oder Zeitungskolumne; Bauklötze oder Handy-App; Tastaturfunktion oder Freizeitpark-Themenfahrt: Wer behauptet, es gebe nichts, was Hollywood
nicht zu einem Film verwursten könne, lügt nur halb. Und es sollte denn auch niemanden überraschen, dass sich das Verfilmen von Selbsthilfe-Ratgebern allmählich sogar zu einem eigenen Subgenre
mausert. Mindestens so überraschungsarm ist freilich, dass dabei bislang noch kein Meilenstein der Kinogeschichte herausgekommen ist – dass also weder die All-Star-besetzte Beziehungskomödie
«He’s Just Not That Into You» noch die von Cameron Diaz und Jennifer Lopez ausgetragene Schwangerschaftsstrapaze «What to Expect When You’re Expecting» allzu schlagkräftige Argumente für die
Sinnhaftigkeit dieses Trends zu liefern vermochte. Man wird es einem mithin nachsehen müssen, wenn man nun «The Secret» mit einer kerngesunden Portion Skepsis begegnet: dieser nicht gar so
spektakulär gecasteten Adaption des semi-esoterischen Lebenshilfe-Bestsellers von Rhonda Byrne, den Promotoren wie Oprah Winfrey für seine erhebende Botschaft, dass alles nur eine Sache der
Einstellung sei, preisen und den Kritiker als ein krudes Sammelsurium aus deplatzierten Klischees, abergläubischem Gefasel und trivialwissenschaftlichem Nonsens ächten.
Auf Nicholas Sparks’ Spuren
Mit «Dare to Dream» ist die Kinoversion von «The Secret» untertitelt: Traue dich zu träumen. Deren Regisseur Andy Tennant indes hat es nicht so mit dem Sich-Trauen. Oder dem Träumen.
Vielmehr vertraut der 65-Jährige auf Bewährtes und setzt auf solides Schaffen in überblickbarem Spektrum. Mit «EverAfter», «Sweet Home Alabama» und «Hitch» hatte er um die vorletzte
Jahrzehntwende rum so eine respektable Erfolgsserie an romantischen Komödien hingelegt, ehe er sich wieder ins Fernsehen verabschiedete (zuletzt: «The Kominsky Method»). Ein Projekt wie dieses
nun passt jedenfalls tipptopp in sein Beuteschema, und es ist Tennant blindlings zuzutrauen, dass er es nicht in den Sand setzt, den Hurricane «Hazel» hier von den Stränden von New Orleans bis
zum baufälligen Haus der alleinerziehenden Witwe Miranda (Katie Holmes) geweht hat. Der Schaden, der dabei entstand, ist beträchtlich und bringt die ohnehin schon finanziell geplagte dreifache
Mutter endgültig an den Rand des Kollaps, wiewohl sie nach wie vor betont: «Wird sind nicht arm. Wir sind pleite. Das ist ein Unterschied.» Doch Ereignisse wie diese, so lehrt es uns Byrnes
Bestseller, bergen auch Chancen, öffnen Türen, durch die dann vielleicht jemand wie der Uniprofessor Bray (Josh Lucas) tritt – «der letzte ehrliche Mann», wie Miranda halb im Scherz zu ihrer
Ältesten (Sarah Hoffmeister) meint, und ein waschechter Kavalier dazu, der sich nicht nur keine Sekunde grämt, dass ihm die stets gestresste Fremde da in seinen Pick-up reingefahren ist, sondern
sich obendrein anerbietet, den Schaden an ihrer Klapperkiste zu reparieren. Und wenn er schon mal dabei und da ist, nimmt er sich doch auch gleich noch des Dachs an, durch das es jetzt
reintropft. «Sind Sie ein Buddhist?», wird er beim Pizzaessen bald einmal gefragt. Ist er nicht – aber ein Optimist, der über den Tellerrand hinausguckt und die eine oder andere Lebensweisheit in
petto hat. Die gute Nachricht ist nun, dass einem diese mal mehr und mal weniger erkenntnisreichen Merksätze nicht übermässig aggressiv aufgedrängt werden und die dazu gereichten inspirativen
Motivationsreden rarer, als zu befürchten stand, und kürzer, als zu hoffen gewagt, ausfallen. Und dass auf dem Weg von den Buchseiten zur Leinwand einiges an Hokuspokus ins Nirwana entwichen ist.
«The Secret: Dare to Dream» – das gerät so zu
einer zumindest erträglichen, rundum tolerierbaren Sache. Wobei man sich um die Inszenierung in den kompetenten Händen Andy Tennants ja eh keine Sorgen hat machen müssen. In dieser findet sich
zwar kein einziger Funke Originalität, der ein romantisches Feuerwerk entfachen könnte; vielmehr folgt das alles bemerkenswert dreist und hartnäckig dem Schema einer gemeinen
Nicholas-Sparks-Verfilmung (das heisst, bevor Nicholas-Sparks-Verfilmungen angefangen haben, wie «Bravo»-Foto-Love-Storys auszuschauen). Doch die malerische Kulisse und das trotz Hurricane und
allerlei Düsternis golden leuchtende, sonnendurchflutete Ambiente helfen ebenso, wie es Holmes und Lucas mit ihrer gewinnenden, natürlich-bodenständigen Präsenz tun, die einen glauben macht, es
hier doch tatsächlich mit richtigen Menschen und lebensechten Sorgen zu tun zu haben.
107 unverfängliche Minuten
Und die fast so stürmisch gerupfte wie gerühmte Botschaft des Ganzen, die Moral der Gschicht sozusagen? Nun, da wäre es natürlich keine Kunst, dieses optimismusgetränkte Lebenshurra höhnisch
wegzulächeln und als Palette plumper Plattitüden abzukanzeln. Man könnte, nur so ein Gedanke, aber auch mal was Frisches versuchen: sich auf den Film und seine, na ja, Botschaft einlassen. Man
würde dann zwar jetzt auch nicht wirklich reingezogen und vermutlich eher nicht überwältigt werden; aber vielleicht, wer weiss, entdeckt man inmitten all des Kitschs, der Klischees und des
übrigen Krams, der dem einen oder anderen kritischen Geist cineastische Mühsal bereiten mag, ja was Kostbares, gerade in garstigen und so gänzlich unoptimistischen Zeiten wie den unseren: einen
felsenfesten Glauben an die Wunder des Lebens etwa; an die Möglichkeit auch, dass sich die Dinge zum Besseren wenden können. Das mag naiv sein, klar. Das mag simpel sein, keine Frage. Und das mag
platt sein, auf jeden Fall. Aber hey: Traue dich zu träumen! Und wiewohl dieser rundweg erwachsene Film anders, als es seinen Figuren widerfährt, niemandes Leben verändern und schon gar nicht das
Vertrauen in Hollywood wiederherstellen wird: Er mag einem dabei helfen, für 107 unverfängliche Minuten das Chaos da draussen auszublenden und in eine bessere Welt abzutauchen. Aber das kommt
dann wieder auf die Einstellung drauf an.