Kopfwäsche in der Wüste

Formal formidabel, mit Witz und Tendenz zur Provokation schildert «American Beauty»-Regisseur Sam Mendes in «Jarhead» die wenig heldenhaften Erlebnisse eines Marinesoldaten im ersten Golfkrieg.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wie er hier gelandet ist, kann sich der 20-jährige US-Marine-Soldat Anthony «Swoff» Swofford (Jake Gyllenhaal) nicht mehr so recht erklären. Dem fast plagiatorisch eindeutig nach R. Lee Ermeys legendärem Drill-Sergeant Hartman aus Kubricks «Full Metal Jacket» modellierten Schreihals-Instruktor erklärt er taktisch ungeschickt auf die entsprechende Frage: «Sir, ich habe mich auf dem ins College verlaufen, Sir!» Einer über seine in der Wüste Saudi-Arabiens stationierte Truppe berichtenden Fernsehjournalistin gibt er sodann zu Protokoll, er sei wohl einfach dumm genug gewesen, einen Vertrag zu unterschreiben. Sportsfreund Swoff mag augenscheinlich keine Phrasen dreschen – von wegen: «Ich bin stolz, meinem Land zu dienen.» Denn was das hier alles soll, weiss er nicht – und es interessiert ihn, der auf dem Klo Camus’ «L’étranger» zu lesen pflegt, auch nicht sonderlich. «Scheiss auf die Politik. Wir sind hier. Alles andere ist egal», sagt einmal sein Kumpel Troy (Peter Sarsgaard) und erntet damit ein kollektives Nicken der kahl geschorenen und gründlich gewaschenen Köpfe der im Army-Slang «Jarheads» genannten Marineinfanteristen. Ausgebildet als Späher und Scharfschützen, haben es diese zur Aufgabe, die Ölfelder «unserer saudi-arabischen Freunde» zu verteidigen, während Saddam Hussein gerade in Kuwait einmarschiert. Und das heisst im Klartext: «Wir warten.» Und das wiederum heisst: Langeweile, Laxheit und Lagerkoller, Eintönigkeit, Einsamkeit und Eifersucht, Verrohung, Verblödung und Verarmung, begleitet von Männerritualen, Machtspielen und Machosprüchen, von Gegrunze, Gegröle und Gejohle, von Pleiten, Pech und Pannen.

Stumpfsinniger Alltag

Es sind mitnichten martialische Heldentaten, von denen Kriegsveteran Anthony Swofford in seinen 2003 erschienenen und nun von «American Beauty»-Regisseur Sam Mendes verfilmten Memoiren «Jarhead» zu berichten weiss. Konsequent von Mendes umgesetzt, ist dies – anders als etwa David O’Russells brillante Golfkriegssatire «Three Kings» – auch keine hintergründige Auseinandersetzung mit den politischen, moralischen und sozialen Implikationen dieses einen Kriegs. Geschildert wird mit vorlagengerechtem existenzialistischem Gestus vielmehr das Leben im Kriegseinsatz an sich, der gänzlich unglamouröse und unspektakuläre, von Sinnlosigkeit und Stumpfsinnigkeit dominierte Soldatenalltag zwischen Toilettenreinigung und behelfsmässiger Zerstreuung – ohne stolz im Wind wehende US-Flaggen, ohne andächtiges Trompetengedudel, ohne heldenhaft-bereitwillig an das geliebte Vaterland abgegebenen Blutzoll. Und geschildert wird das in einem Grundton, der auch dann lakonisch bleibt, wenn die Soldaten, die längst Blut geleckt haben und nun auch endlich solches spritzen sehen wollen, im letzten Drittel des Films doch noch ein bisschen «Action» in Kuwait abkriegen. Ein Ton, der dank deftigen (Galgen-)Humors bisweilen an Altmans «M*A*S*H*» erinnert und der aufgrund eines Vokabulars, das sich zu einem sehr guten Teil aus nicht jugendfreien Kraftausdrücken und Verbalinjurien aus dem Genitalbereich konstituiert, sich so gar nicht als Basis für ein in kerzengerader Haltung geschmettertes Loblied auf die tapferen Vaterlandsdiener eignet.

Visuell beeindruckend

Freilich möchten Swofford wie Mendes trotz Tendenz zur Provokation nicht übermässig respektlos sein, geht es ihnen doch weniger um Demaskierung als um Entmystifizierung: Diese jungen Männer sind nicht geil drauf, einen Heldentod für eine als gut erkannte Sache zu sterben; sie wollen in diesem Spiel bloss das anwenden, was sie in all der tumben Plackerei gelernt haben. Den entpersonalisierten «Jarheads» ist das Denken ausgetrieben worden. Bereits als die Kunde von Saddams Einmarsch in Kuwait die Runde macht, herrscht vor allem Vorfreude – auf dass die Party steigen mag. Und wenn die Iraker die Ölfelder anzünden und es schwarzes Gold regnet, ist das für sie bloss ein psychedelisches Naturschauspiel, in dem der Wahnsinn, wie ihn «Apocalypse Now» fühlbar gemacht hat – «the horror...the horror» –, nun auch visuell durchschimmert. Dem Vergleich mit Coppolas Meisterwerk oder auch Terrence Malicks noch dezidierter die Sinnlosigkeit des Kriegs anprangerndem Kunststück «The Thin Red Line» hält «Jarhead» dann aber doch nicht ganz stand. Auch wenn das formal nicht minder formidabel ist und Mendes und sein bombenstark aufgelegtes Ensemble (nebst Gyllenhaal glänzen etwa Jamie Foxx als toleranter Oberfeldwebel und Chris Cooper als kerniger Oberstleutnant) hier grosses und trotz aller filmhistorischer Versatzstücke auch höchst originelles Kino abliefern.