Die schicken Herren mit der fleckigen Weste

In der glorios gespielten Gaunerkomödie «The Gentlemen» macht Regisseur Guy Ritchie das, was ihn zu Guy Ritchie gemacht hat. Das ist vielleicht nicht der letzte Schrei, bisweilen aber zum Brüllen.

Ascot Elite

von Sandro Danilo Spadini

«Sie sind doch von gestern», wird der vermeintlich weich gewordene Mickey (Matthew McConaughey), dieser «unartige Knabe», dieses «fesche Arschloch», dieser selbst ernannte «König des Dschungels», von einem übermütigen Heisssporn hier einmal keck abgekanzelt. Und natürlich ist das jetzt eine Einladung, den Schwenk zum Zeremonienmeister von «The Gentlemen» zu machen und also Guy Ritchie genüsslich unter die Nase zu reiben, dass seine Strategien hier jetzt auch nicht gerade den Geist des rein Jetzigen verströmen. Dann aber müsste man halt auch gelten lassen, dass das, was im Kino derzeit als heutig gelten darf, so viel erquicklicher nun auch wieder nicht ist als dieses von Guy Ritchie gehegte und um die Jahrhundertwende in Filmen wie «Lock, Stock and Two Smoking Barrels» oder «Snatch» kultivierte Gestrige. Zugegeben, die ganzen schnoddrig scherzenden und hemmungslos herumballernden Hallodris sind einem irgendwann schon recht auf den Senkel gegangen. Und die kapriziösen Kapriolen, mit denen ihr Schöpfer diesen zunehmend prosaisch-pubertären Tarantino-Abklatsch in Szene hämmerte, sowieso. Jetzt aber scheint das alles just lange genug her zu sein, und ja, Ritchie hat seine olle Erfolgsformel tatsächlich auch aufdatiert – ein bisschen wenigstens und jedenfalls gerade genug, damit sein neuster Streich recht locker als das durchgeht, was er im Sinne seines Erfinders sein soll: eine Heidengaudi.

Bombiges Skript, knallige Regie

Aber was soll denn auch gross schiefgehen bei solch einer Besetzung?, ist man dann aber vielleicht noch versucht, Ritchies Verdienst hier kleinzureden. Matthew McConaughey also als Mickey Pearson, ein Amerikaner, der in Oxford studiert hat, in England hängen geblieben ist und sich zum stinkreichen Hanf-King des Königreichs gemausert hat. Hugh Grant – fast zur Unkenntlichkeit verwandelt mittels neckischer Gesichtsbehaarung und eines superfetten Cockney-Akzents – als öliger Ermittler für ein schmieriges Boulevardblatt. Henry Golding, der süsse Kleiderständer aus dem Weihnachtsfiasko «Last Christmas», als besagter kecker Jung-Gangster. Charlie Hunnam aus «Sons of Anarchy» als cooler Consigliere. Michelle Dockery aus «Downtown Abbey» als «Cockney-Cleopatra». Stings genderneutraler Spross Eliot Sumner als verdrogtes Gör aus poshigem Hause. Eddie Marsan als von Mickey gehörnter rachedurstiger Zeitungsheini. Jeremy Strong als Sheldon-Cooper-hafter Konkurrent im Gras-Business. Und Colin Farrell als verblüffend vertrauenswürdiger Boxtrainer. Man könnte jetzt sogar noch ein wenig fortfahren mit diesem Namedropping und ein paar weitere heldenhaft und in überwiegend flottem Zwirn agierende Mimen aufzählen; und trotzdem würde das nichts daran ändern, dass es gerade auch Ritchie ist, der hier für Trommelwirbel und Paukenschläge sorgt: mit einem bombigen Skript, dessen verzwirbelter Plot nicht wie sonst so oft eine jämmerliche Entschuldigung für geiles Geballer ist und das mit barock-blumig schwadronierenden Dialogen ein rhetorisches Feuerwerk abfackelt. Und mit einer knalligen Regie, deren Tempo, Timing und Trickserei wohldosiert sind und die den monströsen Machismo und die kernige Klugscheisserei früherer Filme auf ein erträgliches Mass stutzt.   

Selbstreferenziell – und selbstverliebt

«Wunderschönes Kino» sei das, was er sogleich nun für ihn aufzurollen gedenke, sagt Grants Schnüffler dem Bossberater von Hunnam nach dem Startschuss. Und wohlgemerkt: Er sei ein Erzähler; seine Narration dürfte mithin auf der ausschweifenden Seite zu liegen kommen. Ist dann auch so, das mit der Kinopracht wie dem Erzähl(über)fluss; da hat der Mann den Mund nicht zu voll genommen, wie sich weisen wird, wenn ein intrigenreicher Ganovenschwank um die Vorherrschaft im bald legalisierten und folglich umso lukrativeren Marihuanamarkt rekapituliert wird. Das ist dann zwar alles ein wenig meta und selbstreferenziell. Und es ist auch ein klein bisschen gaga und selbstverliebt. Aber das passt schon. Guy Ritchie halt. Kein Problem. Wovon sich der eine oder die andere eher unangenehm berührt gefühlt hat, ist diese Affinität zu Stereotypen, der der auch schon 52-jährige Engländer hier unvermindert unverfroren frönt. Auch das ist gewiss ziemlich aus der Zeit gefallen, das kann man sicher so sehen. Oder ist es doch nur «good old fun», wie sie da drüben feixen? Nun, vielleicht ist ja die Frage vielmehr die: Möchte man sich denn wirklich auch bei einem wie Guy Ritchie, der  alles und jeden unterschiedslos verulkt, über solcherlei echauffieren? Man bringt sich so doch nur um zwei herrliche Stunden scharfzüngiger und schlitzohriger Kinounterhaltung.