Unter Getöse übers Ziel hinausgeschossen

Actionspezialist Antoine Fuqua vernachlässigt im Verschwörungsthriller «Shooter» zugunsten einer handwerklich astrein inszenierten Materialschlacht die an sich reizvolle Handlung.

 

von Sandro Danilo Spadini

Dass es der Ex-Videoclip-Regisseur Antoine Fuqua gerne mal krachen lässt, offenbarte sich ja schon im ansprechenden Polizistenthriller «Training Day». Was der durchbruchbringende Drittling des afroamerikanischen Action-Zampanos nicht restlos zu beantworten vermochte und durch die beiden schwer enttäuschenden Nachfolger «Tears of the Sun» und «King Arthur» eher negiert wurde, ist hingegen die Frage, wie es um Fuquas Fähigkeit steht, eine Geschichte zu erzählen. Mithin ist es jetzt an der Zeit, dass sich der 41-jährige Pittsburgher mit einem Film profiliert und emanzipiert, der mehr ist als müssiges Pyro-Spektakel. Nun: «Shooter» ist dieser Film nicht. Denn auch hier hat das Abfackeln, Sprengen und Zerschmettern von allerlei Materialien oberste Priorität. Und dabei konnte Fuqua auf eine mit reichlich politischem Sprengstoff ausgestattete Vorlage zurückgreifen, die so viel mehr hergegeben hätte.

Austauschbare Action

«Point of Impact» heisst der hier zugrunde liegende und von Jonathan Lemkin («The Devil’s Advocate») adaptierte Bestseller aus dem Jahre 1993, mit welchem eine Trilogie um den Vietnam-Veteranen Bob Lee Swagger ihren Anfang nahm. Literarisch gezeugt wurde dieser «Rambo für Intellektuelle» («Publi-
shers Weekly») vom Pulitzer-gewürdigten «Washington Post»-Filmkritiker Stephen Hunter. Dessen Rohstoff würde sich im Grunde ähnlich gut wie Robert Ludlums «Bourne»-Romane oder John le Carrés «The Constant Gardener» dazu eignen, das in den von politischer Desillusion gezeichneten Siebzigern zu voller Blüte gereifte und bezeichnenderweise derzeit wieder populärere Paranoia-Kino mit (weiterem) neuem Leben zu füllen. Doch wo Subtilität und Psychologie gefragt sind, fühlt sich ein Antoine Fuqua halt nicht wirklich angesprochen. Wenn der also hört, dass es sich bei der Hauptfigur um einen einstigen Scharfschützen der US-Armee handelt, sieht er es vor seinem inneren Auge schon wieder krachen. Dass der von dubiosen politischen Agitatoren reingelegte Bob Lee Swagger, kompetent verkörpert von Mark Wahlberg, eigentlich eine ziemlich tragische Figur ist, kümmert ihn dann nur am Rande. Viel zu gierig nimmt er die Einladung zum Wettschiessen an und gestaltet drum herum ein handwerklich absolut astreines, aber von nicht allzu viel Innovationsgeist beseeltes und letztlich austauschbares Action-Getöse im XXL-Format. Derweil der geneigte Betrachter sich etwas vertieftere Gedanken zur (neokonservativen) Motivation der Drahtzieher des gescheiterten Attentats auf den US-Präsidenten und zur inneren Befindlichkeit des dafür zum Sündenbock gestempelten Protagonisten wünschen mag, denkt Fuqua vor allem daran, was er denn noch in die Luft sprengen könnte.

Gut und Böse

Das interessant besetzte Personal im Rücken Swaggers besteht dementsprechend aus konturlosen Schattenmännern und braven Zuspielerinnen. Immerhin holen die strikt in die Kategorien Gut und Böse aufgeteilten Akteure mit beherztem Spiel noch das Beste daraus heraus. Auf der guten Seite überzeugen etwa Michael Peña als in Missgunst gefallener FBI-Agent, der Beweise für Swaggers Unschuld sucht; Kate Mara als Witwe eines einstigen Armee-Kumpels, die dem landesweit Gejagten Unterschlupf bietet; und die unanständig attraktive Rhona Mitra als Sonderermittlerin, die unseren Helden mit überlebenswichtigen Informationen versorgt. In der moralischen Finsternis glänzen derweil Danny Glover als pensionierter Colonel, der Swagger unter Ausnutzung seines patriotischen Pflichtgefühls aus dem Exil lockt; Ned Beatty als Erdöl-fixierter Senator, der uns an Dick Cheney erinnern soll; sowie der Kroate Rade Serbedzija als mysteriöser Mann im Hintergrund. Was es gerade mit Letzterem auf sich hat, bleibt indes wie manches im Diffusen; die Aufschlüsselung des Komplotts scheint Fuqua nämlich mehr als lästige, vom Ballern und Zündeln ablenkende Pflicht zu empfinden. Übrig bleibt so ein leidlich gefälliger Actioner, der sich als Verschwörungsthriller verkleidet hat und eher nicht der Startschuss für eine ursprünglich wohl mal angedachte Swagger-Franchise sein wird.