Für Risiken und Nebenwirkungen wird garantiert

Stylish, spannend, schauspielerisch stupend: Im Neo-Noir-Thriller «Side Effects» zeigt Starregisseur Steven Soderbergh noch einmal, wie Filmemachen nah an der Perfektion geht.

 

von Sandro Danilo Spadini

Das soll es jetzt also gewesen sein. Das soll der letzte Kinofilm des Steven Soderbergh sein. Zwar hat der «Traffic»- und «Ocean’s Eleven»-Regisseur noch einen Knaller im Köcher; das Liberace-Biopic «Behind the Candelabra» mit Michael Douglas und Matt Damon hat er allerdings fürs Fernsehen gedreht. Hollywood sagt der 50-jährige Oscar-Gewinner somit schon jetzt mit dem Neo-Noir-Thriller «Side Effects» Ade. Ganz freiwillig. Und für immer. Oder vielleicht nur vorerst. Man weiss das bei ihm nie so recht. Jedenfalls hat er nun erst mal genug. Weil die Arbeit im Film-Mekka immer komplizierter werde. Weil sie zu viel Zeit koste. Weil er jetzt malen wolle. Hinterlassen wird uns Soderbergh ein enormes Œuvre von 24 Spielfilmen quer durch die Genres, wobei der so Umtriebige alleine seit 2011 fünf Projekte realisierte. Und gerade was Soderbergh da zuletzt fabrizierte, war durchweg von leichter Art und hoher Güte und also von einer Konstanz, wie sie nicht eben typisch war für sein Wirken.

In einer toxischen Spirale

«Side Effects» markiert in diesem «Alterswerk» nun gut und gerne den Höhepunkt. Schliesslich ist das einer jener Soderbergh-Filme, die sich so verdammt nah an der Perfektion bewegen – oder vielmehr: tänzeln. Denn federleicht und völlig unforciert fühlt sich auch dieses Filetstück Hollywood-Unterhaltung an. Dabei ist sein Thema, das einmal mehr Scott Z. Burns («Contagion») spannungsvoll zu Papier brachte, absolut ernst. Es geht in «Side Effects» nämlich um tödliche Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten. Darum, wie gewisse Substanzen Menschen verändern. Darum, wer verantwortlich ist, wenn die Kontrolle verloren geht. Und darum, wie die Pharmaindustrie kungelt und mauschelt. Um all das geht es wenigstens vordergründig in diesem verzwickten Krimi auf den Spuren von Alfred Hitchcocks «Spellbound» und «Vertigo» oder Henri-Georges Clouzots «Les diaboliques». Dass da noch mehr ist und man genauer hätte hinschauen sollen, wird einem dann noch vor Spielmitte schlag- und schockartig aufgezeigt. Jetzt ist das ein neuer Film und alles infrage gestellt, was vorher war. Dabei hatte Soderbergh schon im Prolog angekündigt, dass es hier noch hoch hergehen würde: Einer Blutspur ist er da mit seiner Kamera gefolgt, bevor er mit der Einblendung «3 Monate früher» zurückkehrte zur schon angeschnittenen Geschichte von Emily (Rooney Mara) und Martin Taylor (Channing Tatum). Vier Jahre ist es her, da verlor Emily den Boden unter den Füssen. Martin wurde des Insiderhandels überführt und ins Gefängnis gesteckt; die Bank holte sich das Haus zurück; und über alledem erlitt sie eine Fehlgeburt. Seither ist Emily psychisch arg versehrt und auf der Suche nach einem helfenden Medikament. Nachdem sie kurz auf Martins Entlassung aus der Haft einen Suizidversuch unternommen hat, erfolgt endlich die Wende – nur scheinbar indes zum Besseren. Nun trifft sie auf den sicherlich gutmeinenden und vielleicht zu gutgläubigen Dr. Jonathan Banks (ein trefflich besetzter Jude Law), und nun gerät sie und geraten alle um sie in eine toxische Spirale.

Ein Schleier über allem

Aber wie gesagt: Es ist nicht alles so, wie es scheint, wenn Dr. Banks auf Tipp von Emilys früherer Ärztin (Catherine Zeta-Jones) ein Wundermittel namens Ablixia aus dem Hut zaubert und damit auch Martin beglückt: «Wer immer dieses Medikament gemacht hat, wird verdammt reich werden», stöhnt dieser matt und platt von Emilys wiedergefundenem sexuellem Gusto. Seine Freude wird freilich kurz sein. Denn es hat seinen Grund, warum Soderbergh seinen Film auch jetzt noch «sediert» hält und mit einer Art Schleier überzieht: Unverändert sanft ist die Musik, gedeckt sind die Farben und bewölkt ist der New Yorker Himmel. Lange bevor Emily zum Zombie und der Film zum Horror wird, hat der flüssig wie kaum wer «Film sprechende» Soderbergh sich und uns so mit rein inszenatorischen Mitteln an die medikamentenbenebelte Protagonistin geschmiegt – und die stupende Rooney Mara, die «amerikanische» Lisbeth Salander, trägt dann das Ihrige dazu bei, dass man diese Emily nicht mehr aus den Augen lassen will. Man ist übrigens gut beraten, dies auch tatsächlich nicht zu tun.