Eine Rechnung, die aufgeht

Mit dem Geiseldrama «The Negotiator» gelang Regisseur F. Gary Gray ein kleines Meisterwerk. Für Hochspannung sorgen nicht reisserische Actionszenen, sondern ein hervorragendes Drehbuch und brillante Darsteller.

20th Century Fox

von Sandro Danilo Spadini

Danny Roman (Samuel L. Jackson) ist ein Negotiator, ein Polizist, dessen Aufgabe es ist, Verhandlungen mit Geiselnehmern zu führen. Als sein Partner, der geheim gegen kriminelle Cops ermittelt hatte, tot aufgefunden wird, wird Roman fälschlicherweise beschuldigt. Die Beweislast ist erdrückend, und so sieht Roman keinen anderen Ausweg mehr, als in das Hauptbüro der Internal Affairs zu stürmen und selbst zum Geiselnehmer zu werden. Hier, bei der Abteilung, die seinen Fall bearbeitet hat, hofft er herauszufinden, wer die wahren Drahtzieher bei diesem Komplott sind. In Windeseile ist das Gebäude von einer wahren Heerschar von Polizisten umstellt, die sich nun vor die komplexe Aufgabe gestellt sieht, mit einem Mann, der mit allen psychologischen Tricks vertraut ist, Verhandlungen zu führen. Doch Roman lässt sich auf nichts ein. Er will nur mit einem Mann sprechen, einem gewissen Chris Sabian (Kevin Spacey), ebenfalls ein Negotiator.

Nervenkitzel pur

Was sich wie die Story für eine Fortsetzung von «Stirb langsam» liest, erweist sich bald als intelligenter, vielschichtiger Thriller. Roman ist nicht der Mann, der rotsieht und die Bösen reihenweise niederstreckt, um an die Wahrheit zu kommen. Regisseur F. Gary Gray («Set It Off») lässt den Zuschauer über die wahre Identität der Verbrecher fast bis zum Ende des Films im Dunkeln tappen. Sein weitgehendster Verzicht auf fulminante Actionszenen zugunsten einer handfesten Story zahlt sich voll aus. Der nötige Nervenkitzel wird erzeugt durch ein derart aufreibendes Katz-und-Maus-Spiel der beiden Hauptfiguren, wie man es in der letzten Zeit nur ganz selten im Kino gesehen hat.

Besetzung in Hochform

Ein solch dialoglastiger Film wie «The Negotitator» steht und fällt mit der Klasse seiner Darsteller. Und hier kann sich Gray glücklich schätzen, in Samuel L. Jackson («Pulp Fiction») und Kevin Spacey («Die üblichen Verdächtigen») zwei absolute Könner ihres Fachs zur Seite zu haben. Die beiden hervorragend aufgelegten Charakterdarsteller schaffen es, ihre Figuren mit Leben zu erfüllen. Doch nicht nur Jackson und Spacey glänzen, auch die Nebenrollen sind hervorragend – wenn auch nicht sonderlich prominent- besetzt. Gewidmet ist der Film indes dem kürzlich verstorbenen J.T. Walsh, der den Chef der Internal Affairs spielt. «The Negotiator» war in den USA nicht der ganz grosse kommerzielle Erfolg. Doch haben Einspielergebnisse bekanntlich nur selten etwas mit der Qualität der jeweiligen Filme zu tun. F. Gary Grays mutiger Verstoss gegen die Konventionen des Genres beschert eine wohltuende Abwechslung zu dem üblichen Einerlei aus den grossen Studios. «The Negotiator» ist das wohl gelungenste Geiseldrama der jüngeren Vergangenheit. Grays Rechnung ist voll aufgegangen.