Ganz England war in sie verliebt – nur ihr Mann nicht

In dem durch und durch soliden Kostümfilm «The Duchess» geht das meiste seinen genreüblichen Gang. In den Hauptrollen überzeugen Keira Knightley und Ralph Fiennes.

 

von Sandro Danilo Spadini

Irgendwann möchte man Keira Knightley auf der Leinwand dann aber doch mal wieder in Jeans sehen. Oder vielleicht in einem Versace-Outfit. Oder halt in einem Traineranzug. Nachdem die 24-jährige Engländerin in «Bend It Like Beckham» ihre erste grosse kinematografische Aufwartung gemacht hatte, wurde sie schliesslich kaum mehr in zeitgenössischem Gewand gesichtet: kurz mal in der Ensembleromanze «Love Actually» und dann noch in Tony Scotts filmischem Totalauszucker «Domino». Ansonsten war die Newcomerin vornehmlich an der Seite von Piraten, Rittern, Monarchen oder Weltkriegern zu bewundern, und die wenigen Kilo Knightley steckten also jeweils in ausschweifend altmodischem Kostüm. In ihrem neuen Streich «The Duchess» ist der dürre Leib immerhin von Oscar-prämiertem Tuch umhüllt. Und obwohl Knightley darin wie auch in der Rolle der Ende des 18. Jahrhunderts auf der Bildfläche erschienenen Aristokratin Georgiana Cavendish abermals eine verdammt gute Figur macht, drängt sich eben schon die Frage auf: Was hat es mit dieser Realitätsflucht in die Vergangenheit auf sich? Ist Knightley ihrer Jugend zum Trotz bereits abonniert auf derlei Rollen? Oder hat sie einfach nur einen Fimmel für dies edle Gewand?

Liebe im Dreieck

Wie dem auch sei. Frau Knightley ist hier jedenfalls charismatisch wie ehedem, und mit der Besetzung des mimischen Minimalisten Ralph Fiennes in der Rolle ihres missmutigen Gemahls wurde vorteilhafterweise ein kräftiger Kontrapunkt zu ihrem jugendlichen Esprit gesetzt – was selbigen natürlich umso mehr zum Erblühen bringt. Der mit gewissem Recht Golden-Globe-nominierte Fiennes gibt den noch kinderlosen Herzog von Devonshire, der von seiner Zukünftigen genau zweierlei erwartet: dass sie ruhig ist und dass sie ihm einen Sohn gebiert. Zunehmend verzagt ob seiner Unfähigkeit, einen Erbfolger zu produzieren, hat sich der Herzog von Lady Spencer (Charlotte Rampling) deren eher unruhige Tochter Georgiana aufschwatzen lassen. Als diese seine Erwartungen nicht zu erfüllen vermag und ihm zwei unerwünschte Mädchen schenkt, wird das ohnehin unterkühlte Eheleben zunehmend eisig. Derweil Georgiana sich in der hohen Gesellschaft profiliert, sich politisch engagiert und beim gemeinen Volk ihrer modischen Stilsicherheit wegen als «It Girl» etabliert, verliert der alte Grantler endgültig sein Interesse. Er schaut sich anderweitig um und findet gleich ums Eck Georgianas beste Freundin Bess (Hayley Atwell). Kraft seiner Stellung gibt es ihm selbstverständlich nichts zu denken, diese gleich im Palast einzuquartieren, um sich bequem und unter der Nase der Gattin regelmässig an ihr gütlich tun zu können. Als Georgiana, seit je dem feschen Jungpolitiker und späteren Premierminister Charles Grey (Dominic Cooper) amourös zugewandt, Ähnliches für sich einfordert, ist aber Schluss mit lustig. Eingedenk der unzeitgemässen Qualitäten von Georgianas Charakter ahnt man indes schon: Das dürfte kompliziert werden.

Erstickte Gefühle

Mit etwas Fantasie könnte man in der Herzogin von Devonshire eine Vorläuferin von Lady Diana sehen – eine Monarchin der Herzen. Ganz England sei in sie verliebt, heisst es einmal, bloss ihr Mann nicht. In der von Regisseur Saul Dibb mitadaptierten Filmfassung von Amanda Foremans Biografie-Bestseller «Georgiana, Duchess of Devenshire» ist denn auch der eine oder andere Schwenker in die Jetztzeit auszumachen. Letztlich liegt hier aber gleichwohl ein klassischer Kostümstreifen vor. Einiges wird fürs Auge kredenzt, manches auch für das der Linguistik affine Ohr – das kennt man aus dieser Sparte. Die genretypische Herausforderung besteht freilich darin, unter dem Dekor- und Kostümpomp, hinter den wohlklingenden Worten und feinen Gesten die grossen Gefühle nicht ersticken zu lassen. In dieser Kunst ist der relativ unerfahrene Dibb jedoch nicht übermässig beschlagen. Und deshalb ist aus «The Duchess» gewiss ein durch und durch solides Stück Kino geworden, aber kaum etwas, worüber man Briefe nach Hause schreiben müsste.