The Way Back

 

Das erste Bier gibts schon am Morgen unter der Dusche, bevor es zur Arbeit auf den Bau geht; das letzte von ganz vielen dann üblicherweise in der Stammkneipe in der alten Nachbarschaft, völlig ohne Scham, ohne es irgendwie verbergen zu wollen vor den mittlerweile entfremdeten Freunden, denen schliesslich nichts anderes übrig bleibt, als Alarm zu schlagen. Man habe ihr zugetragen, er sei jeden Tag betrunken, hält ihm seine Schwester (Michaela Watkins) an Thanksgiving vor; sie und auch seine von ihm getrennt lebende Frau (Janina Gavankar) machten sich Sorgen, wegen seines Alkoholkonsums und weil er immer mehr vereinsame. Doch für solcherlei Einmischung ist Jack (Ben Affleck) gerade gar nicht empfänglich; schliesslich ist er ein halbwegs funktionierender Trunkenbold. Ins Sinnieren kommt der Mittvierziger erst, als tags darauf Pater Devine (John Aylward) von der katholischen Highschool Bishop Hayes anruft: Sie wollten Jack zurück, sagt er ihm, dem einstigen Überspieler in ihrem Basketballteam, der seine so wahnsinnig vielversprechende Karriere einfach weggeworfen hat, um dem tyrannischen Vater eins auszuwischen. Trainer solle er werden und die von Niederlage zu Niederlage taumelnde Truppe auf Vordermann und in die Spur bringen. Und auch wenn Jack erst mal kategorisch ablehnt und beteuert, er habe mit dem Basketball vor langer Zeit unwiderruflich abgeschlossen: Was passiert, nachdem er sich am Abend daheim einen kompletten Kühlschrank voll Dosenbier einverleibt hat, ahnen wir natürlich schon längst; und wie es in dieser über weiteste Strecken formelhaften Erlösungsgeschichte weitergehen wird, wie Jack den langen Weg zurück zu sich selbst bestreiten und wie sich sein dann doch recht talentiertes Team schlagen wird, das haut einen ebenso wenig vom Hocker und lässt einen bisweilen eher mit der Schulter als der Wimper zucken. 



 

Die Qualitäten von «The Way Back», sie liegen anderswo – und sie lassen sich auf zwei Namen herunterbrechen: Einer von ihnen ist Regisseur Gavin O'Connor, der sich bereits im Meisterwerk «Warrior» um den Sportfilm verdient gemacht hat und hier wie dort ein profundes Verständnis für das Milieu seiner Underdog-Geschichte offenbart. Der andere ist Hauptdarsteller Ben Affleck, den O'Connor im Erfolgsthriller «The Accountant» schon einmal kundig angeleitet hat und den er hier in teils atemberaubenden Bildern an der Küste von L.A. ins beste Licht rückt. Auch wenn es meistens fragwürdig ist, Privates mit Beruflichem zu vermischen und darüber zu spekulieren: Das persönliche Alkoholdrama, das Affleck überaus öffentlich durchlitten hat, wird ihm sicher dabei geholfen haben, seine Figur zu verstehen und sie fern von jeglicher melodramatischen Überhöhung mit einer Authentizität zu spielen, die ihm womöglich gar seine erste Oscar-Nominierung als Schauspieler einbringt. Affleck ist der Anker dieser Geschichte, er hat eine unfassbare Präsenz, er weckt Mitgefühl und Sympathien für diesen versehrten Helden von gestern, der trotz aller Formeln und Klischees selbst dann noch lebensecht wirkt, wenn er zum Schluss, im schönsten Bild des Films, in der kalifornischen Abendsonne seine Leidenschaft und eben sich selbst wiederfindet. Es ist dies fraglos die ehrlichste, die tiefgründigste Leistung des einst belächelten und als Schnösel abgestempelten Hollywood-Stars Ben Affleck. Und irgendwie mag man ihm das jetzt doch gönnen.