Die Schuhe meiner Schwester

Als ungleiche Schwestern zanken sich Cameron Diaz und Toni Collette in der zwar überraschungsarmen, aber kurzweiligen Komödie «In Her Shoes» von «L.A. Confidential»-Regisseur Curtis Hanson.

 

von Sandro Danilo Spadini

Wie auch immer das sein mag mit diesen sich anziehenden oder eben sich abstossenden Gegensätzen: Spritzt bei deren Reibung aneinander das dicke Familienblut, dann ist das nochmals eine ganz andere Sache als beim amourösen Geplänkel; das sind – man möge den sich so vehement aufdrängenden Kalauer verzeihen – zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Seine Verwandten oder – im hier konkreten Fall – seine Schwester sucht man sich ja nicht aus, und verlassen und abservieren und verstossen kann man die auch nicht so mir nichts, dir nichts. Wenn also in Curtis Hansons Schwank «In Her Shoes» eine völlig aufgelöste Rose (Toni Collette) ihrer jüngeren Schwester Maggie (Cameron Diaz) ein durchaus adäquates «Du ruinierst alles!» gefolgt von einem sehr wohl nachvollziehbaren «Verschwinde aus meinen Leben!» entgegenbellt, dann muss das noch nicht das Ende der Geschichte sein. Ist es natürlich auch nicht, wäre andernfalls ein etwas kurzer Film, kommt es doch schon nach wenigen Minuten des Zoffs und Zanks zu dieser Explosion. Vielmehr – und damit ist diesem überraschungsarmen Streifen keine Pointe geraubt – wird das eine Trennung auf Zeit sein.

Parallele Geschichten

Die Sympathien sind in dieser kurzweiligen Komödie zunächst eindeutig verteilt: Sie gehören der braven Rose, die immer und immer wieder und so lange Opfer von Maggies Egomanie und Rücksichtslosigkeit wird, bis es genug ist. Rose ist zwar nicht gerade eine verzweifelte Hausfrau, ein städtisches Sexleben führt sie aber auch nicht. Sie trägt eine Brille und schleppt ein paar Pfunde zu viel mit sich herum. Sie ist die Fleissige, die als Anwältin karrieriert, die Hilfsbereite, die hinter ihrer Schwester aufräumt, die Gutmütige, die (beinahe) alles verzeiht – und die Unglückliche, die kaum einmal weggeht und noch seltener einen Kerl abkriegt. Doch Rose versucht das zu kompensieren: Geht es ihr schlecht, so kauft sie sich neue Schuhe. Rose hat eine Menge Schuhe. Ganz anders Maggie: Anstatt sich um einen Job oder ihre Leseschwäche zu kümmern, lässt sie kein Remmidemmi aus, um Rambazamba zu machen und ihren Körper wohlfeil gegen ein paar Drinks an irgendwelche schmierigen Stelzböcke zu verhökern. Sie lügt, klaut, nutzt aus. Ein ausgemachtes Flittchen also, doch dank ihres Aussehens kommt sie mit allem durch. Fast allem. Als sie nämlich zur Krönung auch noch mit Rose’ neuem Freund in – notabene – deren Kiste steigt, ist endgültig Schluss mit lustig. Maggie muss weg und landet bei der seit dem Selbstmord der Mutter familienintern zur Persona non grata abgestempelten Oma (Shirley MacLaine), die in einer Seniorenresidenz in Florida ein einstweilen noch ziemlich unaufgeregtes Leben führt. Rose trifft derweil zu Hause in Philadelphia endlich den Mann ihrer Träume (Mark Feuerstein), kann aber gleichwohl nicht gänzlich glücklich werden. Sie vermisst, na klar, ihre Schwester.

Kaum Längen

Dass Thrillerspezialist Curtis Hanson («L.A. Confidential», «8 Mile») auch im Komödiesektor erstaunlich sattelfest ist, hat er vor rund fünf Jahren mit dem Meisterwerk «Wonder Boys» schon einmal bewiesen. Gleichwohl betritt er mit «In Her Shoes», basierend auf dem gleichnamigen Bestseller der 35-jährigen US-Autorin Jennifer Weiner, neues Terrain, haben wir es hier doch mit einem waschechten «chick flick» zu tun, wie sie in den USA solch betont auf ein weibliches Publikum ausgerichtete Kinoerzeugnisse nennen. Zudem ist das der pure Hollywood-Mainstream, weshalb hier denn auch keine allzu spektakulären Dinge geschehen. Im übersichtlich organisierten, mit treffsicherem Wortwitz und einigen nicht ganz so taufrischen Slapstick-Einlagen angereicherten Chaos geht vielmehr alles seinen vorgezeichneten Weg – und dies bisweilen auch ganz schön zügig wie etwa bei der unvermeidlichen Wandlung Maggies von der Hure zur Madonna. Da aber die mit ihrem kindlichen Charme gross auftrumpfende und die meiste Zeit halbnackt in Hotpants und Highheels herumstolzierende Cameron Diaz bei dieser Läuterung von der comebackenden Leinwandlegende Shirley MacLaine assistiert wird, kann man schon mal grosszügig sein. Überhaupt mag man diesem Film – wie Maggie – so einiges nachsehen, zumal er ungeachtet allen Geschäftssinns nie die Herzlichkeit vermissen lässt und trotz stattlicher 130 Minuten Spielzeit ohne nennenswerte Längen ganz unbeschwert und mitunter sogar klug zu unterhalten vermag. Gerade im innerdisziplinären Vergleich mit romantischen Hollywood-Komödien darf Hanson so – nicht zuletzt dank seiner drei putzmunteren Hauptdarstellerinnen – sich letztlich einen weiteren Treffer gutschreiben lassen.