Same Time, Next Year

 

Eigentlich ist das ja nicht sympathisch: dass da zwei seit 26 Jahren eine Affäre pflegen, obwohl sie doch so glücklich verheiratet sind und vorgeben, ihre Ehepartner über alles zu lieben. Und trotzdem ist es schlechterdings unmöglich, den Buchhalter George (Alan Alda) aus New Jersey und die Hausfrau Doris (Ellen Bursytn) aus Oakland für das zu verdammen, was sie da jeweils genau einmal im Jahr ein Wochenende lang in diesem schmucken Inn an der Küste des kalifornischen Mendocino County tun. Angefangen hat alles 1951: Sie hatten sich an der Bar kennen gelernt, hatten ungelenken Sex auf dem Zimmer und danach ein mörderisch schlechtes Gewissen. Mitte zwanzig waren sie damals, und wiewohl sie sich stark, ja fast magisch voneinander angezogen fühlten, war da schon klar, dass sie ihre Partner nie verlassen würden. Im 5-Jahres-Rhythmus treffen wir George und Doris sodann wieder in Robert Mulligans kammerspielhafter, vierfach Oscar-nominierter Liebeskomödie aus dem Jahr 1978, die auf dem gefeierten Bühnenstück von Bernard Slade basiert. Wie sich die USA in dieser Zeit wandeln, verändern sich auch sie im Laufe der Jahre immer wieder massiv: hin zum Konservativen, dann wieder zum Freigeistigen. Auch ihre Beziehung ist im Fluss: Der Sex rückt allmählich in den Hintergrund; die Erzählungen über das Leben und über ihre Lieben stehen bald im Zentrum. Was indes bleibt, ist diese Vertrautheit, diese Zuneigung, diese alles überdauernde Liebe.

Knapp zwei Stunden dauert «Same Time, Next Year» – und zwei ganze Leben haben gleichsam darin Platz, wiewohl man sie nur in Erzählungen miterlebt, aus zweiter Hand sozusagen. Die Dialoge des kürzlich verstorbenen kanadischen Bühnenautors Bernard Slade jedoch sind derart spritzig und ihr Vortrag durch Alda und Burstyn dermassen lebendig, dass man durchaus meint, live dabei zu sein, als George zum vierten Mal Vater wird, er im Beruf reüssiert, Goldwater wählt, um seinen in Vietnam gefallenen Sohn trauert, dem Mammon abschwört, Barpianist wird und seine Frau verliert. Oder als Doris ihrem viel zu gutherzigen Gatten auch in der Pleite beisteht, sie dann doch aus dem Ehegefängnis ausbricht, Hippie wird, Grossmutter wird, mit der Frauenbewegung zur erfolgreichen Geschäftsfrau avanciert und endlich ihren Ruhestand geniesst. Wie diese beiden Liebenden sich wandeln und wachsen, wie sie sich auch dann noch nahe sind, wenn sie sich scheinbar voneinander entfernen, wie sie sich im anderen immer wieder – alljährlich! – verlieren, auch wenn sie sich aneinander reiben: Das ist nicht nur grosses Theater, es ist in der Version des auf humanistische Stoffe spezialisierten Robert Mulligan («To Kill a Mockingbird») eben auch grosses Kino – ein Film voller Zartheit und Humor, voller Schmerz und Menschlichkeit, voller Intelligenz und Gefühle.