Der gerechte Kampf einer Mutter

In Clint Eastwoods exzellentem Thrillerdrama «Changeling» wehrt sich Angelina Jolie im Los Angeles der Zwanzigerjahre gegen korrupte Behörden und läuft dabei zur Hochform auf.

 

von Sandro Danilo Spadini

Jetzt hat sie es endlich gepackt: Superstar Angelina Jolie, seit einem guten Jahrzehnt in Produktionen mit meist hohem Budget und von immer nur mediokerer bis minderer Qualität im Kino präsent, hat erstmals eine Rolle in einem Film ergattert, an dem es nichts zu mäkeln gibt. Und wie unlängst in Michael Winterbottoms zwar in vielerlei Hinsicht löblichem, letztlich aber knapp gescheitertem Drama «A Mighty Heart» ruft die Schönheitsikone auch nun in Clint Eastwoods «Changeling» eine Leistung ab, für die sie durchaus in Form von prestigeträchtigen Preisen gelobt werden dürfte. Das neuerdings also vom Glück geküsste Händchen bei der Rollenwahl hat ihr einen Part eingebracht, in welchem sie zudem erneut ihre glitzern-glamouröse öffentliche Persona ablegen kann und sich dergestalt befreit von dem künstlerisch hemmenden Sexsymbol-Status gänzlich aufs Schauspielern besinnen kann.

Gegen korruptes System

In dem im Los Angeles der späten Zwanzigerjahre angesiedelten und auf Tatsachen beruhenden Thriller spielt Jolie die alleinerziehende Mutter Christine, der fünf Monate nach dem Verschwinden ihres Kindes von den notorisch schlecht beleumundeten Polizeibehörden der Engelsstadt ein fremder Junge als ihr wiedergefundener Sohn aufgedrängt wird. Als Christine sich zur Wehr setzt, den vom LAPD «probeweise» mit nach Hause gegebenen Jungen zurückweist und auf eine Fortführung der polizeilichen Suche nach ihrem richtigen Sohn drängt, wird sie von dem durch und durch korrupten Machtapparat kurzerhand für verrückt erklärt und in ein Sanatorium überwiesen. Mitgetragen von der zusehends energischeren Einmischung eines politisch engagierten Radiopriesters (John Malkovich), weitet sich ihr verzweifelter persönlicher Kampf schliesslich zum offenen Widerstand gegen eine zwar unerreichbar scheinende, aber im Ansehen schon schwer angeschlagene arrogante Autorität, die ihre Macht willkürlich und je nach Opportunität mit unmenschlichen Mitteln durchzusetzen pflegt. Der Kampf der Einzelnen wird also zum Kampf für höhere Gerechtigkeit, womit Clint Eastwood abermals bei einem Thema angelangt, das ihn zeit seines Wirkens als Regisseur immer wieder beschäftigt hat – so unlängst etwa in den Meisterwerken «Mystic River» und «Million Dollar Baby». Sein neuer, bei aller Güte nicht ganz das Niveau jener beiden Streifen erreichender Film ist denn auch eine Variation der klassischen Underdog-Geschichte, wie sie 78-Jährige gerne hat. Wie stets sind dabei die Grenzen zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse straff gezogen, was sich nicht zuletzt in den bei Eastwood ebenfalls gängigen eher eindimensionalen Figurenzeichnungen niederschlägt.

Passende Bildsprache

Kontrastiert wird diese – verzeihliche – Ungeschlachtheit durch die gewohnt sanfte Inszenierung, die geschmeidig-langsamen Kamerabewegungen etwa oder die sorgfältige Ausleuchtung wie auch die ein filmzeitgemässes Schwarzweiss imitierende, nur vereinzelt wie durch Angelina Jolies feuerroten Lippenstift in ihrer Gedämpftheit konterkarierte Farbkomposition. Damit hat Eastwood die perfekt passende Bildsprache für seine zwischen Krimi und Drama balancierende Geschichte gefunden, welche überdies ohne ablenkenden Tand auskommt. Er ist indes auch Routinier genug, diese zu justieren, wenn es der dramaturgische Zweck erfordert – so gerade um die Filmmitte herum, wenn der Plot an einen Wendepunkt gelangt und einige Bälle hochgeworfen werden, um der ehedem völlig geradlinig verlaufenen Story Drall zu verleihen und sie sodann in eine neue Richtung zu führen. Solange diese Bälle in der Luft sind, ergeben sich freilich auch Längen, die durch eine inszenatorisch-dramaturgische Adrenalininjektion aber sogleich wieder vergessen gemacht werden. Dass Eastwood am Ende noch vom ungehetzten Geschichtenerzähler zum baren Chronisten wird, mag derweil zunächst irritieren, entspricht eingedenk des Tatsachencharakters der Handlung letztlich aber einer Erfordernis. Für Jolie schliesslich halten auch diese letzten von insgesamt 140 prächtigen Minuten nochmals einige harte Prüfungen bereit – welche sie wie die meisten zuvor wiederum mit Bravour meistert.