Verlust – Verrat – Verschwörung

Die John-le-Carré-Verfilmung «The Constant Gardener» des brasilianischen Regisseurs Fernando Meirelles ist gleichzeitig ein spannender Verschwörungsthriller und eine tragische Liebesgeschichte.

 

von Sandro Danilo Spadini

Am Anfang steht der Tod. Der Tod der geliebten und doch fremden Frau. «Ich habe kein Zuhause. Tessa war mein Zuhause», wird der in Kenia stationierte englische Diplomat Justin (Ralph Fiennes) später einmal sagen. Tessa (Rachel Weisz), die leidenschaftliche Aktivistin, war Justins grosse Liebe, sein Gegenpol, so anders als er, so gut für ihn, so schwer zu verstehen, so einfach zu lieben. Sie zu heiraten, sie nach Afrika mitzunehmen, war vermutlich die einzige impulsive Entscheidung, die der sanfte, unambitionierte Hobbygärtner je getroffen hat. Und sie zu verlieren, ihrer beraubt zu werden, wird aus ihm einen anderen Menschen machen. Nicht ruhen wird er, bis der gewaltsame Tod seiner Frau aufgeklärt ist. Gerechtigkeit will er, die Wahrheit, Gewissheit. Und Tessa kennen lernen will er, sie endlich verstehen, den wohl genährten Untreueverdacht zerstreuen. Was Justin bei seinen nur zögerlich angegangenen Nachforschungen jedoch zu Tage fördert, ist grösser noch als all dies, mächtiger noch als sein Schmerz, schrecklicher noch als der denkbare Verrat. Keine geheime Liebschaft, sondern eine ungleich geheimere Verschwörung ist es, der Justin bei der Durchsicht von Tessas Akten auf die Spur kommt. Ein zynisch-menschenverachtendes Komplott, angezettelt von der internationalen Pharmaindustrie, abgenickt von der britischen Regierung, gebilligt von korrupten afrikanischen Staatsoberen, mit dem Leben bezahlt von den Ärmsten dieser Welt, die unter dem Deckmantel der AIDS-Hilfe als Laborratten missbraucht werden. Justin weiss: Will er seinen inneren Frieden finden, muss er Tessas Ermittlungen fortführen. Und dabei – sozusagen pro bono – zum Anwalt für die Sache Afrikas werden.

Kraftvoll und zornig

Es ist eine ungemein kraftvolle, ungewohnt zornige Geschichte, die der englische Bestseller-Autor John le Carré («The Tailor of Panama») da für seinen Thriller «The Constant Gardener» ersonnen hat. Eine Geschichte, die fesselt und unterhält, die empört und wütend macht. Ob le Carrés von Regiegott Fernando Meirelles («City of God») am Rande recht frei, im Kern aber originalgetreu verfilmte Abrechnung mit den Pillen produzierenden Konzernen auch auf die Realität zu übertragen wäre, traut man sich indes schon fast nicht zu fragen; jüngste US-Gerichtsurteile (Stichwort Vioxx) stimmen diesbezüglich freilich nachdenklich und scheinen le Carrés ungeheuerliche Anschuldigungen zu stützen. Einer gewissen Denkleistung seitens der Leserin und des Zuschauers bedarf es bei «The Constant Gardener» aber noch anderweitig. So lässt einen der nicht-lineare, gleichsam fragmentarische Erzählstil, dieses ständige Vor-und-zurück-Springen, dieses konstante In-Andeutungen-Flüstern, nicht gänzlich mühelos dem vielschichtigen, an internationalen Schauplätzen sich abspielenden Plot folgen. Es ist dies aber die beste, ja vielleicht einzig mögliche Art, diese Geschichte zu erzählen. Und ihr wird bei Meirelles – mittels kantiger Kameraarbeit und abrupter Tempowechsel – auch die passende filmische Form gegenübergestellt. Neugierig wie ein Dokumentarfilmer kundschaftet der Brasilianer zunächst das afrikanische Territorium aus, investigativ wie ein Kriegsreporter verfolgt er alsdann das Geschehen – und unnachgiebig wie ein feindlicher Agent bleibt er schliesslich seinem traurigen und trauernden Helden auf den Fersen, vermittelt durch den Einbezug etwa von Überwachungskameras, durch plötzlich hektische, das ansonsten eher gemächliche Tempo erschütternde Schnittfolgen ein Gefühl von Paranoia und Verschwörung. «Nirgends ist es sicher», wird einmal gesagt. Dank Meirelles’ feiner Filmsprache haben wir das schon lange gespürt, geahnt, nein, gewusst.

Perfekt besetzt

Ein Meisterwerk zeitgenössischen Kinoschaffens und damit ein veritabler Oscar-Kandidat ist «The Constant Gardener» letztlich aber deshalb, weil inmitten aller sozialkritischen Anklagen, allen kriminalistischen Gebarens und all des gewaltigen Naturschauspiels auch das tragisch-romantische Element seinen Platz findet und – Genre-untypisch – nicht auf halber Strecke bleibt. Ganz still, ganz sachte entfaltet Meirelles’ so reicher Film fast en passant ein rührendes Liebesdrama um Verlust und Verzweiflung, Verrat und Vertrauen, in dessen Verlauf sich Ralph Fiennes als echter Sympathieträger erweist. Der mag zwar nicht der wandlungsfähigste Mime vor dem Herrn sein, sind aber mildes Understatement und britische Steifheit gefragt, ist Fiennes genau der richtige Mann. So wie der engagierte Filmkünstler Meirelles genau der richtige Mann war, um le Carrés so intelligente Geschichte auf die Leinwand zu bringen.