Bad Education

 

Das ist mal ein flotter Kerl: ein erfolgreicher, fleissiger und umtriebiger Chef, der trotzdem bescheiden ist, für alles ein offenes Ohr hat und jedem ein freundliches Lächeln schenkt. Dr. Frank Tassone (Hugh Jackman) ist ein Superintendant, wie ihn sich jede Schule Amerikas wünscht – einer, mit dem man die Spitze der Rankings erklimmt und der nicht nur überaus vorzeigbar, sondern auch eine Inspiration für Schüler und Angestellte gleichermassen ist. Umso unfassbarer ist es dann, was sich an der Roslyn High School in Long Island, New York, ab dem Jahr 2002 allmählich entfaltet: der grösste Fall von Veruntreuung in der Geschichte der öffentlichen Schulen Amerikas. Zunächst schaut es ja noch so aus, als gehe es «bloss» um eine Viertelmillion, die Tassones schrille Stellvertreterin Pam Gluckin (Allison Janney) da für Umbauten an ihrem privaten Heim abgezweigt hat. Weil ein solcher Skandal natürlich Gift für das Image der Schule und im Gefolge dessen auch für die Liegenschaftspreise in der Gemeinde ist, einigt man sich im Schulrat auf Empfehlung des allseits beliebten, ja geradezu geliebten Superintendant darauf, die Sache auf dem kurzen Dienstweg zu regeln, sprich: unter den Teppich zu kehren. Als dann aber eine 15-Jährige (Geraldine Viswanathan) für einen Artikel in der Schülerzeitung nachbohrt, tiefer schürft und endlich vernichtende Dokumente zutage fördert, fallen sie alle aus Wolke sieben: Auch der feine Doktor mit seiner properen Erscheinung und den formvollendeten Manieren hat zugelangt – und das nicht zu knapp.

Das Drehbuch zum HBO-Film «Bad Education» (2019) hat mit Mike Makowsky einer geschrieben, der weiss, was hier Sache ist: Er war vor rund anderthalb Jahrzehnten Schüler im Schulbezirk von Roslyn, als dessen Superintendant festgenommen wurde. Dieser speziellen persönlichen Verbindung mag es denn auch geschuldet sein, dass die vom 31-jährigen Newcomer Cory Finley («Thoroughbreds») inszenierte Tragikomödie ein überdurchschnittlich nuanciertes Bild seiner so tief gestürzten Hauptfigur zeichnet: Da ist zwar diese unfassbare, unbelehrbare Dreistigkeit, mit der Tassone sein Tun auch vor sich selbst rechtfertigt; diese realitätsverlustreiche «Das habe ich mir verdient»-Attitüde, wie man sie von so vielen soziopathischen Betrügern kennt, die erst die Bodenhaftung verlieren und dann vom rechten Pfad abkommen. Es ist da obendrein eine gleichsam comichafte Eitelkeit, die den Superintendant, der nicht nur beruflich, sondern als Homosexueller auch noch privat ein Doppelleben führt, bisweilen der Lächerlichkeit preisgibt. Gleichzeitig wohnt diesem komplizierten Wesen aber auch etwas unbestritten Edelmütiges inne, das man ihm bis zum bitteren Ende und auch noch darüber hinaus abkauft. Und auch wenn Regisseur Finley die absurde Komik dieser Geschichte immer wieder fein herausstreicht und Autor Markowsky die Missetäter mit spitzen Dialog vorführt: Die Tragik von Tassones Fall in maximale Ungnade trifft einen durchaus, sein sicher selbstverschuldetes Schicksal geht einem ans Herz und sogar ein bisschen an die Nieren – und das bestimmt nicht zuletzt deshalb, weil Hugh Jackman diesem seltsamen Helden die vielleicht beste Leistung seiner Karriere angedeihen lässt.