von Sandro Danilo Spadini
«Fuck! Fuck! Fuck!», kreischt die auf schlüpfrige Weise in die Bredouille geratene Margaret (Amy Ryan) erst einmal – und starrt dann einige quälend lange Minuten später ungläubig den
coolen Fremden (George Clooney) an, der da nun in der 10’000-Dollar-pro-Nacht-Penthouse-Suite steht und das Schlamassel aufzuräumen sucht, das sie angerichtet hat: der sich also anschickt, die
Leiche des jungen Manns – «kein Prostituierter», wie sie Mal um Mal beteuert – und alle mit diesem total entgleisten Schäferstündchen einhergehenden Spuren zu beseitigen. Sie habe gar
nicht gewusst, dass Leute wie er tatsächlich existierten, entfährt es schliesslich der populären Bezirksstaatsanwältin von Manhattan. «Tun sie auch nicht», blafft der namenlose Ausputzer mit der
samtenen Stimme zurück, die seine Kundin sowohl beruhigen als auch keinen Zweifel daran lassen möchte, dass ihr unbedingt Folge zu leisten sei. «Niemand ist fähig, das zu machen, was ich mache»,
ergänzt der Typ noch, der vorher im Auto noch Sades 80s-Klassiker «Smooth Operator» gelauscht hat und der sich fraglos als genau das sieht: als einen gewieften Kerl. Und das ist er ja auch, das
will man ihm nicht absprechen. Aber einzigartig? Da wird er schon eine schlappe Zeigerumdrehung später eines Besseren belehrt, als es abermals an der Tür klopft – und ein weiterer «Fixer» ohne
Namen (Brad Pitt) um Einlass bittet, losgeschickt von der auf Skandalprävention bedachten Chefin des brandneuen Luxushotels, die ihre gutbetuchte Klientel offensichtlich mit Videokameras
überwachen lässt. Dies nun nagt doch sichtlich am Selbstbewusstsein und Selbstverständnis des grauhaarigen einsamen Wolfs – zumal der Neue nicht nur dasselbe tut wie er, sondern auch noch
praktisch gleich spricht und ähnlich gekleidet ist. Nur ein paar Jahre jünger ist er. Aber das ist jetzt auch nicht eben dazu angetan, ihm wohlgesinnter zu begegnen. Immerhin beruht die Abneigung
vollends auf Gegenseitigkeit. Doch ganz so schnell los, wie sie sich das wünschen, werden die beiden einander erst mal nicht. Denn nachdem sie im Rucksack des Toten reines Heroin im Wert von
einer Viertelmillion entdeckt haben, wissen sie, dass sie zur Zusammenarbeit verdammt sind, und es dämmert ihnen: «Das wird eine lange Nacht.»
Scorsese, Mann, Tarantino
Für unsere beiden Ausputzer mag diese Aussicht ein Graus sein; die Fantasie des geneigten Cineasten beflügelt sie jedoch. Lange Nächte auf der Leinwand: Das weckt Erinnerungen an Martin Scorseses
«After Hours» oder Michael Manns «Collateral», auf deren Spuren die von Apple produzierte Kriminalkomödie
«Wolfs» dann in der Tat auch wandeln wird. Ihr Titel ist überdies eine Reverenz an
Quentin Tarantinos «Pulp Fiction», wo Harvey Keitel just einen solchen «Fixer» namens «The Wolf» gespielt hat. Und vor allem denkt man auch an Tony Gilroys Thrillerdrama «Michael Clayton», in dem
George Clooney in exakt derselben Mission unterwegs war und schon einmal die Schandtaten der Reichen und Mächtigen unter den Perserteppich gekehrt hat. Scorsese, Mann, Tarantino, dazu Clooneys
wohl am hellsten funkelnde Sternstunde überhaupt – das ist doch bereits ein vielversprechendes Gemisch. Natürlich bewegt sich Regisseur und Drehbuchautor Jon Watts damit auf wohlvertrautem
Terrain. Doch zum einen wird er im Lauf der 108 Minuten Spielzeit noch mit manchem Twist aufwarten; und zum anderen wird er sich nicht derart ausgiebig vor den überlebensgrossen Vorbildern
verneigen, dass es im Kreuz zu zwicken beginnt, sondern auch immer wieder die eine oder andere eigene zündende Idee einbringen. Dass er dazu imstande ist und dass er sehr wohl über eine
Handschrift verfügt, mag nach den drei grossen Spider-Man-Kisten, die er von 2017 bis 2021 mehr im Auftragsverhältnis abgespult hat, ganz kurz erstaunen; wenn man sich aber seinen Zweitling «Cop
Car» (2015) wieder vergegenwärtigt, ist es nichts als folgerichtig, dass «Wolfs» mehr ist als ein Buddy-Movie von der Stange. Ja bisweilen ist dieses nächtliche Treiben, in dem schiefgeht, was
schiefgehen kann, sogar ein regelrechter Augenschmaus: ein bisschen glatt poliert vielleicht, aber auch ausserordentlich stylish.
Gockelkampf mit Stotterstart
Stylish passt selbstredend auch zu den beiden Stars dieses Vehikels – und ein Starvehikel ist «Wolfs» vor allen Dingen; das ist ungeachtet von Watts’ kleinen Kabinettstückchen zu jeder
Millisekunde gegenwärtig. Zum fünften Mal stehen die «Ocean’s»-Kumpels Pitt und Clooney hier gemeinsam vor der Kamera, zum ersten Mal seit 16 Jahren und der Coen-Brothers-Komödie «Burn After
Reading». Und an Magie eingebüsst hat ihr lockeres Zusammenspiel kaum. Zwar schwingen sich die beiden nicht gerade zu absoluter Hochform auf; und es dauert auch einen Moment, bis sie sich
warmgelaufen haben. Aber gut drauf sind der 60-jährige Brad Pitt und der 63-jährige George Clooney auch hier wieder, und das reicht schon für sich vollauf für eine gute Zeit – eine ähnlich gute
Zeit im Übrigen, wie wir sie kürzlich mit «The Instigators» hatten, einer anderen Buddy-Krimikomödie aus der Apple-Küche, in der den Jugendfreunden und «Oceans’s»-Veteranen Matt Damon und Casey
Affleck der launige Gockelkampf sogar noch ein wenig flotter von den Lippen ging. Das freilich mag auch an der Gagdichte liegen, die hier nicht ganz so hoch ist. Gerade in der ersten halben
Stunden, wo «Wolfs» ein reines Kammerspiel ist, lässt das Skript die Stars mit halbgaren Scherzen immer wieder verhungern; das muss man Watts dann doch ankreiden. Und auch Takt und Tempo hat er
da nicht immer im Griff. Pitt und Clooney tun zwar ihr Möglichstes, diese Längen so elegant wie möglich zu überbrücken. Doch sind sogar diese beiden Charismatiker vor dem Herrn letztlich auf
Unterstützung angewiesen. Die kommt einerseits in Person des jungen Comedytalents Austin Abrams («This Is Us»), der nach einer guten Stunde ins Spiel eingreift und dieses nochmals mächtig
aufmischt. Und andererseits doch noch vom Skript, das sich nach all dem Geschäker und Gegacker endlich der Kriminalhandlung besinnt und so nicht nur an der Humor-, sondern auch an der
Spannungsschraube dreht. Das hievt «Wolfs» dann am Ende ziemlich weit über den Durchschnitt – und macht obendrein Lust auf ein Sequel, das in der Schlussszene augenzwinkernd in Aussicht
gestellt wird. Brad Pitt und George Clooney wären bestimmt auch nicht abgeneigt, wenn man ihre Spielfreude hier richtig interpretiert.