Kein Mann für gewisse Stunden

Die Actionkomödie «Play Dirty» des eigentlich versierten Genrespezialisten Shane Black ist ein typisches Erzeugnis der Streamingdienst-Ära: Alles an ihr ist platt und plump, schal und schlaff – nichts freilich ist so uninspiriert wie ihr Hauptdarsteller.

Amazon

von Sandro Danilo Spadini

Nein, Plots von Actionkomödien müssen nicht wasserdicht sein. Und ja, sie dürfen sogar albern sein. Aber was Regisseur Shane Blake und seine Autorenkollegen Anthony Bagarozzi und Chuck Mondry für die Amazon-Produktion «Play Dirty» zusammenfantasiert haben, erfüllt doch glatt die Tatbestände des grobfahrlässigen Schwachsinns und der vorsätzlichen Beleidigung der Publikumsintelligenz: Der Meisterdieb Parker (Mark Wahlberg) spannt mit der südamerikanischen Revoluzzerin Zen (Rosa Salazar) zusammen, um zu verhindern, dass ihr korrupter Präsident einen kürzlich geborgenen Goldschatz im Wert von einer Milliarde Dollar durch ein Verbrechersyndikat aus dem UNO-Hauptgebäude in New York stehlen lässt, auf dass er diesen an einen britischen Multimilliardär verhökern kann. Parker tut das indes widerwillig, weil Zen ihn beim letzten Job reingelegt hat und nicht nur mit der Beute getürmt ist, sondern auch noch seine Crew ausgelöscht hat. Es ist das also eine Zweckgemeinschaft, zu der sich noch allerhand Spezialisten gesellen werden, namentlich der Theaterschaffende Grofield (LaKeith Stanfield), das Diebespaar Ed (Keegan-Michael Key) und Brenda Mackey (Claire Lovering) sowie der Fluchtfahrer Stan Devers (Chai Hansen). Ihnen gegenüber stehen Syndikatsboss Lozini (Tony Shalhoub), mit dem Parker eine gelinde gesagt problematische Vergangenheit hat, und dessen Schergen um den Schwätzer Kincaid (Nat Wolff). So weit, so irr und wirr. Aber was Black und sein Team dann noch für Wendungen in petto haben, toppt das nochmals und kratzt keck an den Grenzen des Zumutbaren. Dies umso mehr, als der Ablenkungstaktik, in einem konstanten Affentempo über die kratergrossen Handlungslöcher zu brettern, nur leidlich Erfolg beschieden ist: Die Zeit, über das opulente Ausmass dieses Unfugs zu sinnieren, nimmt man sich gern – schliesslich gibt es hier sonst nichts zu sehen.  
 
Eine Hypothek namens Mark Wahlberg
 
24 Romane umfasst die Hardboiled-Krimi-Reihe mit der Hauptfigur Parker, die der US-Autor Donald E. Westlake unter dem Pseudonym Richard Stark zwischen 1962 und 2008 verfasst hat. Sie für die Leinwand zu adaptieren, hat sich bislang indes als überaus tückisch erwiesen. Den ersten Versuch startete 1966 kein Geringerer als Jean-Luc Godard; ein Jahr später folgte mit «Point Black» die mit Abstand spektakulärste Verfilmung durch John Boorman mit Lee Marvin in der Hauptrolle (die aus rechtlichen Gründen hier und auch in den folgenden fünf
Adaptionen nicht Parker heissen durfte). Der Reihe nach übernahmen anschliessend Michel Constantin, Jim Brown, Robert Duvall, Peter Coyote und Mel Gibson (in «Payback») den Part des kaltschnäuzigen Meisterdiebs, ehe Jason Statham vor zwölf Jahren in Taylor Hackfords «Parker» die Figur dann endlich gleichsam offiziell verkörpern durfte. Nun hat Amazon die Rechte an sämtlichen Romanen erworben; der Plan ist, ein ganzes sogenanntes Universum mit Filmen und Serien zu kreieren. Den Auftakt dazu macht nun also «Play Dirty», mehr eine Sammlung verschiedener Elemente der Reihe denn die Verfilmung eines einzelnen Romans. Als Produzent involviert ist dabei auch Robert Downey Jr., mit dem Regisseur Shane Black bei «Iron Man 3» und vor 20 Jahren bei «Kiss Kiss Bang Bang» zusammengearbeitet hat – jener Actionkomödie, die wie der Nachfolger «The Nice Guys» (2016) eine gewisse Anhängerschaft geniesst und um die vielleicht nicht gerade ein Kult, aber doch ein Kültchen veranstaltet wird. In just diese Richtung gedenkt Black offenkundig auch sein neustes Projekt zu steuern, sein erstes nach sieben Jahren Pause. Er muss das freilich ohne Downey Jr. tun, der aus nicht näher erörterten Gründen den Parker-Part an Mark Wahlberg abgetreten hat. Es ist zwar ausgeschlossen, dass mit ihm «Play Dirty» die anvisierten Höhen erklommen hätte; aber etwas mehr Spass hätte das gewiss gemacht. Denn was wir nun kriegen, ist ein gelangweilter Mark Wahlberg. Und wenn sich Mark Wahlberg auch noch langweilt – dann gnade uns Gott. Der Mann ist ohnehin nicht eben ein Charismatiker vor dem Herrn. Und dass Hollywood sich in den Kopf gesetzt hat, er habe das Zeug zum Filmstar, ist eines der verworreneren Mysterien in der Geschichte der Traumfabrik – und ein noch hartnäckigeres Hirngespinst als im Fall von Ryan Reynolds. Man hat sich über die Jahre zwar halbwegs damit arrangiert, aber ein unmotivierter Mark Wahlberg – das ist schwer tolerierbar. Immerhin muss er hier keine Angst davor haben, dass er von irgendjemandem an die Wand gespielt würde. Schliesslich ist kaum einer seiner Spiessgesellen mit allzu üppigem mimischem Geschick oder wenigstens komödiantischer Expertise gesegnet; und die wenigen, die auf einem der beiden Felder punkten könnten, etwa LaKeith Stanfield, Tony Shalhoub oder Claire Lovering, hat man entweder mit den wüstesten Sparwitzen abgespeist oder in der hinteren Reihe versorgt.
 
Kein Stil, kein Charme, keine Eleganz
 
Die Fehlbesetzung mit Wahlberg ist zwar ein riesiges Problem von «Play Dirty», aber noch nicht mal das grösste. Denn schlimmer ist am Ende, dass das eines dieser allzu typischen Erzeugnisse der Streamingdienst-Ära ist: ein in jeder Hinsicht platter und plumper, schaler und schlaffer «Content», der nicht den Hauch einer einzigen originellen Idee versprüht, trotz ansehnlicher Produktionskosten schäbig ausschaut und wie eine leblose Pflichtübung wirkt. Wer weiss, vielleicht kommt das am Handy knackiger rüber – für einen solchen schnellen, flüchtigen Konsum nebenher wurde das ja vermutlich fabriziert. Aber das erklärt immer noch nicht, wohin all die Millionen geflossen sind, die diese Dutzendware verschlungen hat. Die Actionsequenzen jedenfalls sind überaus unterwältigend und derart künstlich und generisch, dass es den übelsten Pfuschern aus den Neunzigern die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Aber leider leben wir nicht nur in gott-, herz- und seelenlosen Zeiten, sondern auch in schamlosen. Und so kümmert es offenkundig niemanden, dass hier nichts je echt wirkt, dass das Schäkern zwischen den Akteuren peinlich hüftsteif ist, dass die schnippischen Dialoge null zünden, dass der Plan, mit dem Jazzsoundtrack Stil, Charme und Eleganz im Stil eines Soderbergh-Films vorzutäuschen, so kläglich scheitert, dass es nur noch lachhaft ist; und auch Shane Black, der es eigentlich besser wüsste und könnte, scheint es schnurzegal zu sein, dass es scheint, als würde er hier Resteverwertung betreiben und all die Sachen, die zu seinen besseren Zeiten den Cut niemals geschafft hätten, noch hurtig verwursten. Nein, stattdessen blasen sie das Ganze auf schmerzhafte 128 Minuten auf, vergreifen sich zum Ende hin mit der einen oder anderen unerwartet brutal kaltblütigen Szene auch noch öfters mal im Ton, der dann zwar besser zum Zynismus des Ausgangsstoffs passt, aber eben nicht zur vorgetäuschten Heiterkeit des Vorangegangenen, und verheddern sich obendrein in weiteren grotesken inhaltlichen Stümpereien. Aber immerhin landen sie im Schlussviertel dann doch zwei, drei komödiantische Treffer. Und ach ja: Die animierte Vorspannsequenz war auch sehr hübsch. Dumm nur, geht es in den gut zwei Stunden danach nur noch bergab.